Keine Apotheker, keine PTA: Apotheken stellen Ungelernte ein Sandra Piontek, 15.01.2025 10:49 Uhr
Während hierzulande zuletzt heftig über Apotheken ohne Apotheker:innen gestritten wurde, existieren in Island bereits seit Längerem Filialen, die ohne Approbierte vor Ort auskommen. PTA sind allerdings oft ebenfalls nicht vorhanden, sodass das Land eine weitere Ausnahmeregelung eingeführt hat: „Wird keine PTA gefunden, dürfen auch Ungelernte eingestellt werden“, berichtet Lisa Dombrowe, Apothekerin einer Dorfapotheke in Siglufjörður. „Das ist leider auch viel preiswerter für die Inhaber:innen, sodass immer weniger PTA in Islands Apotheken arbeiten.“
Aufgrund der Weitläufigkeit Islands arbeiten in den kleinen Filialen außerhalb der Städte entweder ein bis zwei PTA oder in Ausnahmefällen auch ungelernte Kräfte, aber keine Apotheker:innen. Geregelt wird die Abgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten dann per Telepharmazie. Aus der Hauptapotheke wird ein Apotheker oder eine Apothekerin hinzugeschaltet: „Die PTA hält das Rezept des Patienten unter die Kamera und der Approbierte signiert dieses elektronisch“, so Dombrowe.
So sei die Rezeptkontrolle gewährleistet. Solche Geschäftsmodelle sind dann erlaubt, wenn es vor Ort keine Apotheke mit Approbierten gibt. Um die Versorgung der Bevölkerung dennoch aufrechtzuerhalten, werden solche Ausnahmen erlaubt: „Das gilt, wenn beispielsweise die nächste Apotheke mit anwesendem Approbierten zu weit entfernt ist. Hier auf dem Land kann die Entfernung schnell 80 km betragen“, so die Apothekerin. Den Patienten soll dann nicht zugemutet werden, diese lange Strecke zu fahren, erklärt Dombrowe.
Kein Anreiz, PTA einzustellen
Leider nehme so aber auch die Zahl der PTA in Islands Apotheken stark ab. „Es ist sehr schade, dass Inhaber aus finanziellen Gründen Personal einstellen müssen, welches nur knapp über dem Mindestlohn bezahlt wird. Es ist schlichtweg billiger, Ungelernte zu beschäftigen als ausgebildete PTA“, so Dombrowe. „In Island muss jedes Rezept vor der Abgabe vom Apotheker abgezeichnet werden, es gibt zudem keine Rezeptur in den Apotheken. Somit fehlt der Anreiz, PTA einzustellen.“
Im Hinblick auf die Situation in Deutschland sorgt sich Dombrowe: „Es ist ein zweischneidiges Schwert, Apotheken ohne Apotheker zu erlauben. Dies sollte nur in absoluten Ausnahmefällen vorkommen, bevor die Menschen auf dem Land gar nicht mehr versorgt werden können, und um zu verhindern, dass die Apotheke ganz schließt“, erklärt sie. „Es müsste einen Gesetzestext geben, der kein Schlupfloch für Light-Apotheken lässt, sonst hat Deutschland schnell eine ähnliche Situation wie Island.“
Kein Ladenschlussgesetz
Auch im Hinblick auf die Öffnungszeiten unterscheidet sich Deutschland von der Vulkaninsel. In der Hauptstadt Reykjavik haben die Apotheken zuweilen von 8 bis 24 Uhr geöffnet, so Dombrowe. Denn auf Island gibt es kein Ladenschlussgesetz: „Nur Mindestöffnungszeiten sind vorgeschrieben.“ In ihrer Dorfapotheke arbeite sie unter der Woche allerdings nur von 10 bis 17 Uhr. „Der Supermarkt nebenan öffnet erst 9 Uhr und die Post sogar erst um 10 Uhr. Es lohnt nicht, die Apotheke vor 10 Uhr aufzusperren“, so die Apothekerin.
An Samstagen ist die Öffnungszeit noch eingeschränkter: „Von 12 bis 14 Uhr können die Menschen dann ihre Arzneimittel bekommen.“ Das hängt auch mit den Sprechzeiten des ärztlichen Notdienstes zusammen: „Samstags können Patienten zu 11 Uhr in die Praxis kommen. Meist sind die Patienten dann fertig, wenn die Apotheke aufmacht“, so Dombrowe. Und sie fügt hinzu: „Die kurzen Öffnungszeiten kommen uns entgegen, denn samstags ist auf dem Land sehr wenig los.“ Seien die Sprechzeiten des ärztlichen Bereitschaftsdienstes gegen 13 Uhr beendet, komme auch niemand mehr in die Apotheke, so die 2011 aus Deutschland ausgewanderte Apothekerin.
Notdienstschublade im Krankenhaus
Notdienste müssen auf Island auch nicht geleistet werden. Die Gefahr, dass sie an Feiertagen wie Weihnachten in der Apotheke erreichbar sein muss, besteht für sie demnach nicht. In Island gibt es stattdessen andere Lösungen für dringende Notfälle: „Das Krankenhaus in der Nähe ist mit einer Art Notdienstschublade ausgestattet. Befüllt ist diese mit den gängigsten Medikamenten, wie Antibiotika oder Fiebermittel. Der Arzt oder die Ärztin kann sich daran bedienen“, so Dombrowe.
Es werde immer so viel entnommen, dass Patient:innen bis zum nächsten Werktag versorgt sind. Rezepte werden erst im Nachhinein ausgestellt und an die Apotheke übermittelt. So können die Bestände wieder aufgefüllt werden.
In Island gibt es rund 75 Apotheken, von denen die meisten einer der beiden Ketten Lyfja und Lyf og heilsa angehören. Von den rund 500 Apothekerinnen und Apothekern im Land arbeitet nur rund ein Drittel in einer öffentlichen Apotheke.