Kanada

Die Apotheke im Nationalpark Maria Hendrischke, 10.10.2015 09:56 Uhr

Berlin - 

Bären, Berge – und besondere Freiwahlartikel: Die Gourlay's Pharmacy versorgt seit 1923 Einheimische und Touristen im Banff National Park im kanadischen Alberta. Neben Medikamenten verkauft die Apotheke auch Postkarten und Cola. Nicht selten muss Apothekerin Laura Kennedy außerdem eine Spritze setzen.

„Bären habe ich schon oft gesehen“, erzählt Kennedy. Die Kleinstadt Banff liegt im gleichnamigen UNESCO-geschützen Nationalpark in den Rocky Mountains. Etwa 80 Grizzlys und 60 Schwarzbären leben im Park. „In diesem Jahr waren Bären sogar hier in der Stadt. Da mussten sie umgesiedelt werden“, berichtet die Apothekerin.

„Ich arbeite seit etwa anderthalb Jahren in Banff“, sagt Kennedy. Sie ist aus ihrer Heimatprovinz Ontario in die Kleinstadt mit 7500 Einwohnern gezogen. Ihre Arbeitsstelle in Ontario habe ihr nicht zugesagt. Ganz anders sei es in Banff: „Die Arbeit im Nationalpark ist wunderbar. Ich liebe das Wetter hier, die Berge, die wilden Tiere.“

Sie habe sich dabei bewusst für eine inhabergeführte Apotheke entschieden. Die Gourlay's Pharmacy in Banff wurde 1923 von Hugh Gourlay gegründet und steht im Kontrast zu den in Kanada verbreiteten, in Supermarktketten wie Safeway integrierten Apotheken: Bei Gourlay's arbeite sie direkt mit den Inhabern Peter Eshenko, Randy Maclean und Darren Belik zusammen. Die drei haben die Gourlay's Pharmacy 1989 von der Gründerfamilie übernommen. „Die Einwohner kennen uns mit Namen – und wir sie auch“, sagt Kennedy. Das sei eine Arbeitsatmosphäre, die ihr sehr gut gefalle.

Besonders im Sommer kämen außerdem viele Touristen in die Offizin. „Ich habe mit Menschen aus aller Welt zu tun; da wird es nie langweilig“, sagt Kennedy. Drei bis vier Millionen Besucher strömen jährlich in den Banff National Park. Kennedy schätzt aber, dass sich der Anteil der Touristen und der Einwohner in der Apotheke etwa die Waage hält.

Beide Gruppen kauften unterschiedliche Artikel: Touristen würden eher wegen kleinerer Krankheiten zu ihr kommen – typische Reisekrankheiten, wie sie sagt. Darüber hinaus biete die Apotheke ihres Wissens nach als einzige im Ort einen Verleihservice für Rollstühle und Krücken an. Das werde ebenfalls vor allem von Touristen in Anspruch genommen.

Außerdem würden Reiseimpfungen vermehrt nachgefragt. „Das hat sicher auch mit unserer Lage im Nationalpark zu tun“, vermutet Kennedy. Impfen dürfen kanadische Apotheker seit 2007. Da sie erst nach diesem Zeitpunkt zu arbeiten begonnen hat, habe diese Leistung von Anfang ganz selbstverständlich zu ihren Aufgaben dazugehört. „Ich impfe schon mehrmals pro Woche“, berichtet Kennedy.

Bei Bagatellerkrankungen dürfen Albertas Apotheker zudem eigenständig verschreiben. Wie das Impfen wird dieser Service seit Juli 2012 im Rahmen des „Drug Plan“ der Provinz von der Krankenversicherung bezahlt. „Das machen wir bei uns aber nicht“, sagt Kennedy. Denn in direkter Nähe zu ihrer Apotheke seien ohnehin zwei Ärzte untergebracht.

In einer 1994 gegründeten Filiale im 25 Kilometer entfernten Canmore würden allerdings Rx-Medikamente in Eigenregie abgegeben. Eine weitere Filiale eröffnete 2002 in der 100 Kilometer entfernten Berggemeinde Golden. Golden liegt bereits in der Provinz British Columbia.

Eine Filiale in einer anderen Provinz zu betreiben, sei kein großes bürokratisches Problem: „Zwei unserer Inhaber haben sowohl für Alberta als auch für British Columbia eine Apothekerlizenz. Da sie in beiden Provinzen registriert sind, dürfen sie auch in beiden arbeiten und Apotheken betreiben“, erklärt Kennedy. Anders sei die medizinische Versorgung in einem dünn besiedelten Land wie Kanada auch kaum aufrecht zu erhalten, vermutet sie.

Während die Apotheke in Banff täglich geöffnet ist, haben die Filialen in Canmore und Golden am Sonntag immer geschlossen. „Einen Notfalldienst gibt es in dem Sinne nicht“, sagt Kennedy. „Aber die Leute kennen uns, wenn es also etwas Dringendes gibt, können sie uns erreichen.“ Ansonsten sei das Krankenhaus am Sonntag für derartige Fälle zuständig.

Eine weitere Besonderheit der Nationalpark-Apotheke ist das Sortiment: „Wir verkaufen auch Postkarten für günstige 59 Cent – und die gehen ziemlich gut“, erzählt sie. Es gibt außerdem einen Kühlschrank mit Softdrinks. „Die Leute brauchen schließlich etwas, mit dem sie ihre Tabletten schlucken können“, sagt Kennedy scherzhaft. Die Apotheke verstehe sich ein wenig als allgemeiner Verkaufspunkt, erklärt sie das ungewöhnliche Freiwahlprodukt.

Derzeit gibt es in Kanada 9843 Apotheken, in denen 38.737 Apotheker arbeiten sowie 4349 „Pharmacy technicians“, also PTA.