Bei kanadischen Apothekenketten gibt es klare Zielvorgaben für die Mitarbeiter. Davon berichtet die CBC-Sendung „Marketplace“ unter Berufung auf interne E-Mails. Demnach wird der Druck immer höher, abrechenbare Dienstleistungen zu verkaufen. Die Geschäftsführung gebe tägliche Ziele für die Anzahl durchzuführender Medikationsanalysen vor.
In dem Bericht wird über die Geschäftspraktiken der beiden Ketten Shoppers Drug Mart und Rexall berichtet: Apotheker sollen Sonderdienstleistungen anbieten, etwa Medikationsanalysen, Grippeimpfungen, Rauchentwöhnungsprogramme und Nahrungsmittelintoleranz-Test-Sets. „Die Gesundheit des Unternehmens soll über die Gesundheit des Patienten gestellt werden“, heißt es in dem Beitrag.
Laut den Apothekern führt die Forderung, so viele abrechenbare Dienstleistungen wie möglich durchzuführen, dazu, dass etwa Medikationsanalysen zu schnell für solche Patienten durchgeführt würden, die sie nicht bräuchten. „Wir fordern, dass Sie auf sieben pro Tag und Geschäft hin arbeiten. Jeden Tag!“, heißt es etwa in der E-Mail eines Rexall-Regionalmanagers. Medikationsanalysen werden dem Bericht zufolge von den Behörden bezahlt, Gebühren variieren zwischen 53 Dollar und 150 Dollar.
„Sie werden sehen, wie viel Ihre Filiale nächste Woche leisten muss, um für dieses Quartal auf dem richtigen Weg zu bleiben. Um uns zu helfen, wieder auf den richtigen Weg zu kommen, werden wir an diesem Dienstag ein PFS-Tag [Patientenfokussierter Service] durchführen: Ziel ist es, mehr als 500 Dollar durch PFS für jede Filiale einzunehmen [….] jede Filiale muss mindestens 500 Dollar einnehmen.”
In einer E-Mail der Kette Shoppers Drug Mart heißt es: „Achten Sie darauf, das gesamte Team an die Erwartungen bezüglich Medikationschecks zu erinnern. […] Werden Ihre Apotheker Ihren Zielen gereicht?“ Die Kette führe zudem eine interne Grafik, in der Filialen, die weniger Medikationsanalysen erbringen als gefordert, rot gekennzeichnet würden. „Ich ermutige Sie alle, sich weiter zu bemühen, die Zahlen zu steigern,” so die E-Mail von Shoppers Drug Mart.
Gegenüber „Marketplace“ bestätigte der Kettenverband UAPF, dass es Quoten gebe: „Lassen Sie uns klar sein: Mitarbeiter erhalten von der Unternehmenszentrale Ziele für professionelle Dienstleistungen“. Diese Ziele hätten Konsequenzen und seien an Boni geknüpft. Mitarbeiter, die ihre Ziele nicht erreichten, würden möglicherweise finanziell bestraft. Auch habe es einige aggressive E-Mails von Bezirksleitern an ihre Mitarbeiter gegeben, die die vereinbarten Ziele nicht erreichten.
„Ich als Apotheker denke, es ist peinlich“, sagte Professor Dr. Derek Jorgenson von der University of Saskatchewan im Magazin. Eine Quote führe dazu, dass man das Gefühl habe, zehn Autos am Tag verkaufen zu müssen, weil man sonst gefeuert würde.
„Man fühlt sich damit nicht mehr als Gesundheitsfachmann, sondern stattdessen wie ein Klinkenputzer oder ein Gebrauchtwagen-Händler”, so Jorgensen. Es sei unethisch, solche Leistungen als Mittel zu nutzen, Umsätze zu steigern. „Als Gesundheitsexperten sind wir geschult zu identifizieren, wann unsere Dienste benötigt werden.“ Ähnlich äußert sich eine ehemalige Rexall-Apothekerin: „Wir mutieren zu Verkäufern.“
Laut „Marketplace“ haben einige Apotheker das Gefühl, Quotendruck erhöhe die Wahrscheinlichkeit, Fehler zu machen. Informationen dazu, warum und wie oft Fehler auftreten, gebe es aber nicht.
Beide Apothekenketten, Shoppers Drug Mart und Rexall, hätten die Vorwürfe zurückgewiesen, spezifische Quoten für solche Dienstleistungen gebe es nicht. „Rexall und Rexall Pharma Plus-Apotheken haben eine lange und stolze Geschichte, wir sind zu allererst Apotheke. Das Gesundheitswesen ist der Kern unseres Geschäfts.“ Rexall habe zudem mitgeteilt, die Rolle des Apotheker mehr beinhalte als nur die Abgabe von Medikamenten, dazu gehöre auch die Patientenversorgung, etwa durch zusätzliche Leistungen wie Impfungen, Medikations-Checks, Überwachung des Blutdrucks und Rauchentwöhnung.
Auch aus Großbritannien gibt es Hinweise auf Zielvorgaben der Kettenbetreiber. Bereits vor einigen Jahren monierte der Vorsitzender der Apothekengewerkschaft PDA, dass die großen Ketten ihre Angestellten dazu drängten, die Höchstzahl an Arzneimittelchecks bis zur Erstattungsgrenze durchzuführen, ob der Patient sie wolle oder nicht. „Eine professionelle Beurteilung kann durch den Druck, bestimmte Vorgaben zu erfüllen, beeinträchtigt werden“, so Murphy.
Angestellte in den großen Ketten seien keineswegs so frei in ihrer pharmazeutischen Entscheidungsfindung, wie gerne behauptet werde. „Wir wissen von vielen Fällen, in denen eine bestimmte Anzahl an Reviews pro Monat, pro Woche oder sogar pro Tag vorgegeben wird. Erreichen die Mitarbeiter die Quote nicht, beginnen disziplinarische Maßnahmen.“ Man wisse sogar von einem Fall, in dem ein Filialleiter darauf bestanden habe, Checks unter den eigenen Mitarbeitern durchzuführen, obwohl diese gar nicht wollten, dass ihr Vorgesetzter weiß, welche Medikamente sie einnehmen.
Seit 2005 können Apotheker in Großbritannien pro Medikationscheck 28 Britische Pfund abrechnen. In den Jahresabschlüssen von Boots und Celesio wurde gelegentlich auf diesen neuen Einnahmezweig hingewiesen. Trotz Kritik des Steuerzahlerbundes wurde das Modell 2011 sogar ausgeweitet.
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