Ärzte als „billigere“ Apotheker Violet Ogunsuyi, 26.11.2014 09:28 Uhr
Wenn Ärzte Arzneimittel abgeben, ist dies nicht nur unethisch, sondern auch teurer, lautet ein Argument gegen die Selbstdispensation. In der Schweiz hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Folgekosten untersuchen lassen. Die Ergebnisse werden aber seit einem Jahr unter Verschluss gehalten – vermutlich, um die Diskussion um die Handelsspannen nicht unnötig zu befeuern.
Der ehemalige Innenminister Pascal Couchepin wollte vor fünf Jahren das Dispensierrecht für Ärzte im Rahmen des Massnahmenpakets zur Senkung der Gesundheitskosten abschaffen: Wer Medikamente verschreibe, solle nicht gleichzeitig aus deren Verkauf Profit schlagen, so der Minister. Sein Nachfolger Didier Burkhalter aber beugte sich dem starken Widerstand der Ärzte: Das Verbot der Selbstdispensation kam vom Tisch, die besagte Studie wurde trotzdem in Auftrag gegeben.
Die Ergebnisse könnten, so wird vermutet, das Heilmittelgesetz, das derzeit überarbeitet wird, massiv beeinflussen. Denn in den Verhandlungen geht es um die Frage, welche Leistungen Ärzte abrechnen können beziehungsweise müssen. Während die Apotheker pro abgegebener Packung einen Fixzuschlag plus einer Marge von 12 Prozent bekommen, erhalten die Mediziner ausschließlich die Marge.
Allerdings können die Ärzte über ihren Leistungskatalog zusätzlich die Medikationsberatung abrechnen. Die Apotheker kritisieren dieses Modell, denn aus ihrer Sicht wirkt die Abgabe in der Praxis für Kassen und Öffentlichkeit auf den ersten Blick günstiger, als sie tatsächlich ist. Die Mediziner wiederum würden gerne auch ihre Kosten für Logistik und Lagerhaltung über den Leistungskatalog abrechnen.
Die Selbstdispensation ist laut Innenministerium nicht mehr Gegenstand der Verhandlungen. Daher werde die Studie erst veröffentlicht, wenn über die Frage Margen bei der Medikamentenabgabe entschieden werde, so eine Sprecherin gegenüber dem Züricher Tagesanzeiger.
„Wenn der Bund über eine fertige und publikationsreife Studie verfügt, ist es für mich schwer verständlich, wenn diese nicht Eingang in die Debatte findet“, empörte sich Nationalrat Lorenz Hess gegenüber dem Blatt.
Laut Bericht zeigt eine Studie der Krankenkasse Helsana, zu welchem Ergebnis die Untersuchung gekommen sein könnte: Demnach verursachen Ärzte mit Praxisapotheken nicht mehr Kosten für das Gesundheitswesen als solche ohne. Selbstdispensierende Ärzte geben demnach eher günstigere Medikamente ab und tragen somit zu Einsparungen bei.
Der Präsident des Apothekerverbands Zürich, Lorenz Schmid, konterte, dass die Rendite für Ärzte höher sei, wenn sie günstigere Präparate statt teurer verkaufen würden. Auch sein Geschäftsführer Reto Steinmann hält von der Studienlage zur Sellbstdispensation recht wenig: „Kostenvergleiche werden seit Jahren durchgeführt und bisher ist immer die Behandlungsgebühr, die für den Arztbesuch fällig wird, ausgeklammert worden“.
Die Apotheker haben den Kampf gegen die Selbstdispensation aber längst aufgegeben. „Zu aussichtslos“, so Steinmann. Sein Verband will stattdessen in ärztliches Hoheitsgebiet vorstoßen: Apotheker in der gesamten Schweiz sollen mehr Kompetenzen erhalten.
Hierzu hat der Verband zwei Gesetzesinitiativen angestoßen: Zum einen sollen Impfungen auch ohne ärztliche Verordnung in Apotheken angeboten werden können. Desweiteren sollen in Zukunft auch Apotheker Diagnosen stellen können – und die entsprechenden Medikamente eigenverantwortlich abgeben dürfen.
Die Selbstdispensation ist bislang in 15 Kantonen uneingeschränkt möglich, in einigen Kantonen herrschen aber Mischverhältnisse. In Aargau dürfen Ärzte nur Medikamente in Notfällen abgeben, wenn die nächste Apotheke zu weit entfernt ist. Patienten können selbst entscheiden, wo sie ihr Medikament beziehen möchten. Allerdings lässt sich etwa die Versandapotheke Zur Rose Rezepte direkt elektronisch schicken, wenn der Arzt nicht selbst abgeben kann oder will.