Italien in der Schockstarre Benjamin Rohrer, 26.02.2013 15:36 Uhr
Nach den Parlamentswahlen in Italien ist völlig unklar, wer das Land in Zukunft regieren soll. Im Abgeordnetenhaus hat das Mitte-Links-Bündnis von Pier-Luigi Bersani, einem Ex-Kommunisten, die Mehrheit. Für den Senat konnten allerdings Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi und seine rechts-konservative Partei „Popolo della Libertà“ die meisten Stimmen gewinnen. Zudem hat die Partei des Ex-Komikers Beppe Grillo unerwartet gut abgeschnitten; die „Grillini“ wollen den Reformkurs der anderen Koalitionen blockieren. Die Apotheker hoffen noch auf einen Sieg des konservativen Lagers, schauen sich das ganze Spektakel aber erst einmal aus der Ferne an.
Bersani hatte vor den Wahlen ein Links-Bündnis mit den Grünen favorisiert. Gemeinsam mit der „Sinistra Ecologia Libertà“ hätte Bersani auch die Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Gut für Europa, aber schlecht für die Apotheker: Denn Bersani hatte zwar angekündigt, die von der EU geforderte Sparpolitik weiterzuführen. Dazu will er weite Teile der Rx-Arzneimittel aus der Verschreibungspflicht entlassen – und somit deren Verkauf aus Apotheken in OTC-Shops auslagern. 2006 hatte Bersani als Entwicklungsminister dieses Ladenformat überhaupt erst eingeführt.
In Italien haben Abgeordnetenhaus und Senat jedoch ähnliche Rechte in der Gesetzgebung: Und im Senat hat das Berlusconi-Lager eine knappe Mehrheit. Schlecht für Europa, gut für die Apotheken: Bis auf einen kleinen Ausreißer in einem Radio-Interview, in dem Berlusconi sich für eine Öffnung des Apothekenmarktes aussprach, hat sein „Popolo della Libertà“ die Pharmazeuten immer gegen die Liberalisierungsvorschläge der Monti-Regierung verteidigt.
Spannend dürfte die Rolle des noch amtierenden Ministerpräsidenten Mario Monti werden. Dessen Partei bekam in beiden Kammern zwar nur rund 10 Prozent, könnte aber sowohl Bersani als auch Berlusconi zu Mehrheiten verhelfen. Eine weitere Unbekannte ist die Grillo-Partei, die einen populistischen Anti-Europa-Wahlkampf geführt hat. Eine Einigung mit Berlusconi oder Bersani ist sehr unwahrscheinlich, die „Grillini“ werden wohl alle Entscheidungen einfach blockieren.
Die Vertreter aller Apothekerverbände aus den Regionen wollen sich in der kommenden Woche treffen, um über die Auswirkungen der Wahl zu sprechen. Aufgrund der unklaren Lage wolle man den Wahlausgang nicht kommentieren, hieß es aus dem Apothekerhaus in Rom. Einige Pharmazeuten hatten sogar für das rechts-konservative Lager kandidiert, im Verband hofft man daher, dass Berlusconi auch im Abgeordnetenhaus noch eine Mehrheit bilden kann.
Kurzfristig ist Italien jedenfalls politisch lahm gelegt. Derzeit wird schon über Neuwahlen spekuliert. Auch eine weitere Übergangsregierung unter der Leitung von Monti ist im Gespräch. Diese könnte dann als einzige Aufgabe das völlig überladene Wahlrecht reformieren, damit die Mehrheitsfindung nach einer Neuwahl einfacher wird.