Das jüngste Erdbeben in Italien hat insbesondere in der Kleinstadt Norcia große Schäden angerichtet. Zehntausende Menschen haben den mittelitalienischen Ort verlassen. Viele Menschen sind aber geblieben, darunter die Apothekerin Alessandra Rossi.
Mehrere Erdbeben haben Mittelitalien in den vergangenen Monaten erschüttert; am stärksten betroffen war der Ort Amatrice. Am letzten Oktoberwochenende, nur wenige Tage nach Beginn einer neuerlichen heftigen Erdbebenserie, wurde die Region vom schwersten Erdstoß seit 36 Jahren heimgesucht. Besonders schwer hat es diesmal die Kleinstadt Norcia getroffen. Nach dem Erdbeben der Stärke 6,6 auf der Richterskala bot sich den Einwohnern ein Bild der Zerstörung.
Mehrere historische Kirchen sind verwüstet worden, darunter die aus dem 14. Jahrhundert stammende Basilika des Heiligen Benedikts, die Kathedrale Santa Maria Argentea aus dem 9. Jahrhundert und die um das Jahr 1385 erbaute Kirche des Heiligen Franziskus. Zahlreiche Gebäude und Wohnhäuser sind unbewohnbar oder einsturzgefährdet. Tausende Einwohner sind aus Norcia und der Umgebung geflohen.
Viele Menschen wollen ihre Stadt allerdings nicht verlassen, berichten italienische Medien. Sie versuchen mit Mühe und Not, ein normales Leben weiter aufrechtzuerhalten. Zu ihnen gehört auch die Apothekerin Allessandra Rossi. Vor den verheerenden Erdstößen arbeitete die 42-jährige Frau in einer der zwei Apotheken der Stadt. Das Gebäude, in dem sich die Apotheke „San Benedetto“ befand, die die Familie Rossi seit vier Jahrzehnten betrieb, wurde vom Beben allerdings unbewohnbar gemacht, berichten die Onlineausgabe der Corriere della Sera und die Südtirolnews.
Katastrophenhelfer hätten der Apothekerin anschließend geholfen, die Arzneimittel aus der einsturzgefährdeten Apotheke in Sicherheit zu bringen. Seitdem verkauft sie die Medikamente praktisch im Freien. Vor einem Camper stelle Rossi einen Klapptisch auf, der ihr als „Schauraum und Verkaufstresen“ diene.
Jeden Tag bilde sich vor dem Camper eine lange Schlange. Fixe Öffnungszeiten gibt es keine. Trotz der widrige spätherbstlichen Wetterbedingungen steht die Apothekerin von Tagesanbruch, wenn die ersten Kunden erscheinen, bis zum Abend, wenn kein Einwohner von Norcia mehr Arzneimittel braucht, hinter ihrem provisorischen HV-Tisch. Angesichts des nahenden Winters hofft die Italienerin, dass bald ein kleiner Fertigbau oder ein Container zur Verfügung steht, damit sie ihre Kunden auch weiterhin bedienen und beraten kann.
Die Wohnung der Apothekerin befindet sich in der sogenannten „Roten Zone“ der Kleinstadt und ist gleich wie die Apotheke unbegehbar. Da es nicht ausreichend Notunterkünfte gibt, müssen sie und ihr Ehemann derzeit noch im Auto übernachten. Ihre zwei Kinder – ein zehn und ein vier Jahre altes Mädchen – wurden zu den Schwiegereltern nach Perugia in Sicherheit gebracht. Das Ehepaar erfährt allerdings auch viel Solidarität, berichten die Medien. Bei einer Freundin, die in einem gut erhaltenen Gehöft außerhalb der Stadt wohnt, könnten die beiden beispielsweise duschen und manchmal auch essen.
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