Italien, Monti und die Apothekenketten Benjamin Rohrer, 14.11.2011 13:21 Uhr
In den kommenden Tagen dürfte Mario Monti zum nächsten Premierminister Italiens ernannt werden. Nach dem Rücktritt Silvio Berlusconis hat Staatspräsident Giorgio Napolitano den 68-jährigen Wirtschaftsprofessor aus Mailand mit der Bildung der neuen Regierung beauftragt. Bei der EU-Kommission hatte sich Monti auch schon ausführlich mit dem Apothekenmarkt beschäftigt – und weit reichende Forderungen gestellt.
Nachdem der parteilose italienische Politiker ab 1995 zunächst Binnenmarkt-Kommissar war, wurde er 1999 zum Chef der Generaldirektion Wettbewerb ernannt. 2001 veröffentlichte Montis Abteilung ein Gutachten zu den wirtschaftlichen Auswirkungen einzelstaatlicher Regelungen für freie Berufe. In dem Gutachten sprach sich die Kommission zum ersten Mal auch für eine Liberalisierung der europäischen Apothekenmärkte aus.
Aus Sicht der Kommission beeinflussten veraltete standesrechtliche Regelungen einen freien Marktzugang, die Preise und die Marktstruktur. Mehr Wettbewerb und eine Marktbereinigung könnten sich für die Verbraucher, aber auch für die Apothekenbesitzer auszahlen: In liberalisierten Märkten gebe es zwar mehr Anbieter, die weniger verdienten. Insgesamt würde aber mehr Umsatz gemacht – das wiederum wirke sich positiv auf die Wirtschaft aus. In ihrem Gutachten merkte die Kommission aber an, dass die Unabhängigkeit der freien Berufe nicht gefährdet werden dürfe.
Diese Sichtweise behielt Monti offenbar bei: Gemeinsam mit weiteren internationalen Wirtschaftsexperten wurde er 2007 vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy als Wirtschaftsexperte in die sogenannte „Attali-Kommission“ berufen, die einen Plan für Frankreichs Wirtschaftswachstum erarbeiten sollte. In dem Bericht sprach sich die Kommission für eine Deregulierung des französischen Apothekenmarktes aus.
Neben der Bedarfsplanung müsse auch das Fremdbesitzverbot aufgehoben werden. Dabei müsse nur sicher gestellt werden, dass jede Apotheke von einem Pharmazeuten geleitet werde, hieß es in dem Gutachten. Mit Verweis auf Dänemark und Italien sprachen sich die Wirtschaftsexperten zudem dafür aus, dass bestimmte OTC-Medikamente aus der Apothekenpflicht zu entlassen. Bei der Vorstellung des Gutachtens stellte Sarkozy jedoch klar, die Regelungen im Apothekenbereich nicht antasten zu wollen.
In Italien könnte Monti das Thema Apotheken erneut angehen: Aufgrund der hohen Staatsverschuldung hatte bereits das Kabinett Berlusconi Mitte August einen Entwurf für ein Sparpaket vorgelegt, der eine komplette Öffnung der „geschlossenen Berufe“ vorsah. Unter anderem sollten Beschränkungen zur Unternehmensform sowie die Bedarfsplanung gestrichen werden. Ende September wurden die Heilberufler aus den Plänen herausgenommen; daraufhin forderten der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, und sein Nachfolger in spe, Mario Draghi, Berlusconi zu umfassenden Privatisierungen und Liberalisierungen auf.