Italien

Apotheker zögern mit Generalstreik Patrick Hollstein, 26.02.2015 15:20 Uhr

Berlin - 

In Italien hat die Apothekerkammer für den kommenden Dienstag zu einem Krisentreffen eingeladen. Bei der Versammlung soll das weitere Vorgehen diskutiert werden. Anders als bei der Zulassung der Parafarmacien im Jahr 2006 wird es allerdings womöglich keine größeren Protestaktionen geben – aus Angst vor einer Blamage.

Rund 235 Delegierte werden zu dem Treffen der Apothekerkammer aus den Städten und Gemeinden der 110 Provinzen erwartet. Besprochen werden soll das weitere Vorgehen. Die obersten Standesvertreter scheuen allerdings einen Generalstreik, weil sie fürchten, dass sich zu wenige Kollegen beteiligen könnten.

Nun wird mit Spannung erwartet, wie die Stimmung der Delegierten ist und für welche Strategien und Aktionen sich Mehrheiten finden. Ein Teil der Standesvertreter setzt auf den politischen Weg: Als Kompromiss soll die Regierung von weniger einschneidenden Maßnahmen überzeugt werden.

So könnten wenigsten die vertikale Integration, also der Betrieb von Apotheken durch Großhändler oder Hersteller, verboten werden. Gegen eine entsprechende Regelung mit Bezug auf die kommunalen Apotheken hatte sich 2004 Celesio bei der EU-Kommission beschwert; 2009 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) diese Vorgabe erlaubt.

Eine weitere Möglichkeit wäre die Beschränkung des Mehrbesitzes auf bis zu vier Apotheken. Eine ähnliche Regelung wurde vor einigen Jahren in Portugal umgesetzt; allerdings wäre eine solche Vorgabe vermutlich leicht zu umgehen. Dass es im portugiesischen Apothekenmarkt bislang keine größere Konsolidierung gegeben hat, hängt schlichtweg mit der schlechten wirtschaftlichen Lage im Land zusammen.

Allerdings gibt es unter den italienischen Apothekern auch Hardliner, die weiter gegen eine Marktfreigabe kämpfen wollen. Roberto Tobia etwa, Kammerpräsident in Palermo, kritisierte die geplante Liberalisierung als „Geschenk an die organisierte Kriminalität“. Vor allem im Süden des Landes könnten entsprechende Strukturen die schlechte wirtschaftliche Lage der Apotheken ausnutzen und den Sektor übernehmen.

Marco Bacchini, Kammerpräsident in Verona, sprach von einer „Glorifizierung der Skaleneffekte“, die unmittelbar zu Schaden für die Verbraucher führen werde: „Der Zugang zu Medikamenten würde von Gruppen beeinflusst, die den ganzen Markt kontrollieren.“ Heute gewährleisteten 2000 Einzelbetriebe wirtschaftliche Produktivität und Beschäftigung. „Wollen Sie dieses System wirklich zerstören, indem sie es in die Hände des Großkapitals geben?“

Auch andere Freiberufler wehren sich gegen die Pläne der Regierung, darunter Steuerberater, Rechtsanwälte und Notare. Er sehe keinen Nutzen für die Verbraucher, sondern nur für Großkonzerne und Banken, kritisierte Gaetano Stella, Vorsitzender des Verbands der Freien Berufe. Mit dem systematischen Abbau der Freiberuflichkeit fielen auch die Garantien für Objektivität und Unparteilichkeit weg, von denen die Bürger bislang profitierten. „Das viel gepriesene Verbraucherinteresse wird mit Füßen getrampelt.“