ASS+C pro Apothekenketten APOTHEKE ADHOC, 17.02.2015 15:27 Uhr
In Italien wird in dieser Woche der Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs erwartet. Die Supermarktkette Coop bringt sich für die öffentliche Debatte in Stellung. In den großen Tageszeitungen wurde heute auf ganzseitigen Anzeigen für eine Liberalisierung des Apothekenmarktes geworben. Derweil hat sich der EU-Apothekerverband PGEU an die Regierung in Rom gewendet und vor den Folgen allzu drastischer Maßnahmen gewarnt.
„Liberalisierung bedeutet auch frei zu sein, weniger auszugeben“, wirbt Coop in der Anzeige. Auf dem Bild ist eine Packung ASS+C als Eigenmarke zu sehen, die im Durchschnitt in den OTC-Shops von Coop nur 2,10 Euro koste. „Die Preise für Medikamente können ohne Risiken zum Nutzen der Gemeinschaft gesenkt werden“, heißt es weiter.
Die Supermarktkette, die 2006 erfolgreich für die Einführung der sogenannten Parafarmacien lobbyiert hatte und seitdem immer neue Kompetenzen fordert, erklärt weiter, dass dank der Arbeit der 450 Apotheker in den 123 OTC-Verkaufsstellen von Coop Medikamente bis zu 30 Prozent günstiger angeboten werden könnten als in regulären Apotheken. „Eine echte Liberalisierung, die Parafarmacien und Apotheken gleich stellt, würde die Bürger bei gleichbleibendem Service wohlhabender machen. Denn auch bei uns sind Arzneimittel keine normale Ware.“
Mit diesem Argument ist gestern PGEU-Präsident Darragh J. O'Loughlin an die italienische Regierung herangetreten. Die offenbar geplante Entlassung von verschreibungspflichtigen, aber nicht erstattungsfähigen Medikamenten aus der Apothekenpflicht sei in ganz Europa ohne Beispiel, heißt es in dem Schreiben an Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin, Entwicklungsministerin Federica Guidi und den italienischen Vertreter im Ministerrat, Sandro Gozi.
In keinem anderen Land dürften Rx-Medikamente außerhalb von Apotheken verkauft werden. „Dafür gibt es gute Gründe. Arzneimittel können tödlich wirken. Ihr rationaler und angemessener Einsatz ist essentiell, um ihre Wirksamkeit sicherzustellen und einen Schaden für die Patienten auszuschließen.“
Alle Regierungen in der EU vertreten laut O'Loughlin den Standpunkt, dass dies nur durch die Abgabe in Apotheken sichergestellt werde – also in einem Umfeld, in dem professionelle Standards über kommerziellen Interessen stünden. „Es kann nicht im Interesse der italienischen Patienten oder sogar des Gesundheitssystems sein, dass potenziell gefährliche Medikamente mit gewöhnlichen Konsumgütern assoziiert und in Geschäftsstrategien integriert werden, die keinen Sinn für den verantwortungsbewussten Einsatz haben.“
Während die Risiken auf der einen Seite klar seien, sei der erwartete Nutzen unklar und spekulativ. „Wir fordern die italienische Regierung daher auf, ihre Politik zu überdenken und nach den europäischen Grundsätzen einer verantwortungsbewussten Gesundheits- und Arzneimittelversorgung auszurichten.“
Auch die Lockerung der Bedarfsplanung sieht PGEU kritisch. In Europa gebe es keine Belege, dass solche Maßnahmen einen ökonomischen Nutzen hätten. Im Gegenteil: Erfahrungen aus Spanien und Großbritannien zeigten, dass sich der Service bei einer entsprechenden Lockerung verschlechtere.
Durch die schlechteren Bedingungen sei die Wirtschaftlichkeit der Apotheken in Gefahr: Vor allem bei der Personalausstattung und bei der Lagerhaltung ließen sich die Folgen schnell erkennen. Außerdem siedelten sich die Apotheken eher in Ballungszentren und nicht mehr auf dem Land an. Darauf habe auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinen Urteilen zur Bedarfsplanung hingewiesen.
Schon 2011 hatte PGEU-Generalsekretär John Chave an den damaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti geschrieben: „Die Liberalisierung löst die Finanzprobleme Italiens in keinster Weise“, hieß es in dem Schreiben. Europas Apotheker seien sich des Drucks, der derzeit auf den Regierungen laste, bewusst. Die von der italienischen Regierung getroffenen Entscheidungen führten aber zu nichts anderem als Schaden am Patienten und dem Gesundheitssystem.