In Italien stehen die Zeichen auf Liberalisierung. Die Abgeordnetenkammer hat der geplanten Abschaffung von Fremd- und Mehrbesitzverbot sowie Bedarfsplanung bereits zugestimmt; nun muss noch der Senat zustimmen. Die Apotheker hoffen, wenigstens die Kontrolle in den Apotheken behalten zu können.
Noch im Dezember sollen die Ausschüsse des Senats sich mit dem Gesetzentwurf der Regierung beschäftigen, die Abstimmung im Plenum ist für Januar vorgesehen. Im Februar könnte es dann endgültig grünes Licht geben; dann könnte einer der bis vor einigen Jahren am stärksten regulierte Markt aufgebrochen werden.
Die Apotheker hoffen, noch Änderungen durchbringen zu können. Bei der Anhörung im Senat sprachen sich der Verband Federfarma dafür aus, dass Approbierte die Mehrheit der Firmenanteile und damit Stimmrechte halten müssen. Ähnliche Regelungen gibt es bereits in Österreich, Ungarn und anderen Ländern, auch bei der Liberalisierung in Griechenland sind entsprechenden Klauseln vorgesehen, die die berufliche Unabhängigkeit sichern sollen.
Im Februar hatte die Regierung von Ministerpräsident Matteo Renzi ein Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs vorgelegt. Hieß es zunächst, die Apotheker hätten keine massiven Einschnitte zu erwarten, stand plötzlich das Fremdbesitzverbot zur Diskussion. Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin wehrte sich gegen die Pläne von Entwicklungsministerin Federica Guidi, die auf Vorschläge der Wettbewerbsbehörde zurückgingen. Doch bei der entscheidenden Kabinettssitzung Ende Februar knickte Lorenzin ein.
Weil alternativ weitere rezept-, aber nicht erstattungsfähige Medikamente aus der Apothekenpflicht entlassen werden sollten, stimmte Lorenzin dem Kuhhandel zu. Es gebe keine Änderungen, was die Abgabe von Arzneimitteln oder die personelle Ausstattung in den Apotheken angehe, sagte Guidi im Nachgang des Treffens. Die Beschränkung auf vier Apotheken pro Apotheker sei aber nicht mehr zeitgemäß und werde deshalb abgeschafft. Um die finanzielle Stabilität und damit die Überlebensfähigkeit der Apotheken zu stärken, werde man außerdem den Betrieb von Apotheken in Kapitalgesellschaften erlauben.
So kam ein Gesetzentwurf zustande, mit dem die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes geregelt wird. Auch Großhändler sollen Apotheken betreiben dürfen; nur Ärzte und Hersteller sollen ausgenommen sein. Vorgaben zur Anzahl der Filialen gibt es nicht.
Große Proteste, wie 2006 bei der Zulassung der Parafarmacien, blieben bislang aus. Offenbar haben die bisherigen Lockerungen die Apotheker mürbe gemacht. Als der Kabinettsbeschluss stand, herrschte jedenfalls vor allem Erleichterung, dass nicht noch mehr Medikamente der Liste C aus der Apothekenpflicht entlassen wurden. Dass dafür Ketten zugelassen werden sollen, fiel weniger ins Gewicht.
Das Problem: Als 2006 die OTC-Shops zugelassen wurden, setzten die Apotheker durch, dass auch in diesen immer ein Approbierter anwesend sein muss. Ein Pyrrhussieg, wie sich später herausstellen sollte: Weil sich Aspirin & Co. alleine tatsächlich nicht lohnen, lobbyieren die Betreiber der Parafarmacien – allen voran Supermärkte wie Coop – seit Jahren für mehr Rechte und mehr Arzneimittelkategorien.
Seit Beginn der Finanzkrise wurde immer wieder über eine Liberalisierung des Apothekenmarktes diskutiert. Der ehemalige Ministerpräsident Mario Monti hatte bereits die Bedarfsplanung gelockert und verschiedene Arzneimittel gleichzeitig aus der Rezept- und aus der Apothekenpflicht entlassen.
Besonders bitter: Erst im März hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Befürwortern einer Liberalisierung, wie schon mehrfach seit 2009, den Wind aus den Segeln genommen: Bedarfsplanung und Apothekenpflicht stellten zwar eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, sie seien aber gerechtfertigt, um „eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen“, hieß es in dem ursprünglichen Urteil.
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