Kaupthing, Glitnir, Landsbanki - wer sich mit isländischen Pharmainvestments beschäftigt, kommt an den jüngst verstaatlichten Banken nicht vorbei. Der Notverkauf des Generikaherstellers Actavis könnte nicht die letzte Katastrophenmeldung für den Arzneimittelmarkt sein: Isländisches Kapital, ausgerechnet von den Protagonisten der Bankenkrise, steckt auch in einigen europäischen Apothekenketten. Ein Ernstfall könnte auch außerhalb Islands schnell zu spüren sein.
Knapp 4000 Kilometer von Reykjavik entfernt sieht man bereits heute einer ungewissen Zukunft entgegen: In Bulgarien hatte der Aufstieg des isländischen Generikariesen begonnen, und weil in der Balkanrepublik verschiedene Großhändler zu Pharmaherstellern gehören, hatte sich auch Actavis einen eigenen Logistiker zugelegt. Heute ist Higia einer der führender Großhändler des Landes; mit Pharma Expert ist der Konzern außerdem bereits mit einem Apothekennetz vertreten. Was aus den Vertriebsstrukturen im Falle einer Zerschlagung von Actavis wird, ist noch nicht abzusehen.
Auch andere isländische Unternehmen haben in den vergangenen Jahren auf dem Kontinent Apotheken aufgekauft. So expandiert die Investmentgruppe Milestone, Eigentümerin der isländischen Apothekenkette Lyf & Heilsa, derzeit massiv in Südosteuropa: Insgesamt 55 Millionen Euro sollen in den kommenden Jahren in den Aufbau einer 500 Filialen umfassenden Kette fließen. Dabei ist nicht nur isländisches Kapital im Spiel: 15 Millionen Euro steuerte im vergangenen Dezember die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung bei. 200 Apotheken sollen bereits aufgekauft sein.
Noch gibt man sich bei Milestone sowohl für die einheimische als auch für die internationale Kette kämpferisch. Hrund Rudolfsdóttir, früher Chefin bei Lyf & Heilsa, heute in der Milestone-Geschäftsführung tätig, sieht in den Apotheken sogar eine stabilisierende Komponente, da diese nicht so anfällig für konjunkturelle Schwankungen seien wie andere Geschäftsbereiche. „Der Cashflow ist in dieser Sparte immer noch sehr gut“, so Rudolfsdóttir gegenüber APOTHEKE ADHOC.
Insgesamt sei Milestone von der Krise genauso stark betroffen wie jede andere isländische Firma. Allerdings: Die Investgruppe, die bis vor einem Jahr Anteile an Actavis hielt, heute dagegen vor allem im Finanzierungs- und Versicherungsgeschäft tätig ist, war bis zur Verstaatlichung Großaktionär bei Glitnir, der drittgrößten isländischen Bank. Wie das Unternehmen der beiden Brüder Karl E. und Steingrimur Wernersson den Ausfall wegstecken kann, wird sich zeigen.
Auch der zweite isländische Kettenbetreiber Lyfja hatte über einen Ableger international expandiert und seit 2000 rund 40 Apotheken in Litauen aufgekauft. Lyfja gehört zur Investgruppe Exista - bis vor kurzem größter Aktionär der Kaupthing-Bank. Offenbar haben die beiden Mehrheitseigner, Lýdur und Ágúst Gudmundsson, bereits die Reißleine gezogen: Unmittelbar nach dem Zusammenbruch von Kauphting übertrug Exista die wichtigsten Aktienpakete, zum Beispiel am Lebensmittelkonzern Bakkavör, direkt auf die Inhaber.
Beobachtern stellt sich nun die Frage, ob die Beteiligungsgesellschaft möglicherweise geopfert werden soll und inwieweit die verbliebenen Beteiligungen - inklusive Lyfja - zur Konkursmasse verkommen. Die ausländische Beteiligung wurde bereits vor einigen Wochen abgewickelt: Im August kaufte die Phoenix-Tochter Tamro die litauischen Apotheken für einen unbekannten Preis.
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