Indien

Streik: 850.000 Apotheken gegen Versandhandel

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Berlin -

Rund 850.000 indische Apotheken und Arzneiabgabestellen sollen am Mittwoch für einen Tag schließen. Damit wollen die Apotheker gegen aufstrebende Versandapotheken protestieren, die kapitalstarke Geldgeber in den indischen Markt ziehen.

Der eintägige Streik wird vom indischen Apotheker- und Drogistenverband AIOCD initiiert. Anlass sind Bestrebungen der Regierung, die Regulierungen für die Arzneimittelabgabe zu überarbeiten. Der Verband ruft außerdem zu einer Demonstration in Neu-Delhi auf. Laut AIOCD-Präsident J. S. Shinde ziehen die indischen Apotheker auch einen unbefristeten Streik in Erwägung, sofern die Regierung nicht einlenkt und den Verkauf von Arzneimitteln im Internet verbietet. Arzneimittel-Verkaufsstätten in Krankenhäusern und 24-Stunden-Apotheken würden allerdings nicht geschlossen.

Apotheker und Drogisten sind der Meinung, Versandapotheken seien ein Angriff auf ihr Geschäft. Außerdem förderten sie den Missbrauch von Medikamenten. Sie erhöhten das Risiko, dass ein Rezept mehrfach eingelöst werde. Shinde sagte: „Unsere Kinder sind gerissen. Wenn sie ein Rezept im Internet einlösen, machen sie ein Foto davon und schicken es an ein anderes Unternehmen, um die Arzneimittel zu bekommen.“

Ganesh Kamath, Generalsekretär des regionalen Apothekerverbands in South Kanara, sagte, das Manöver der Regierung treffe rund eine Million Apotheker und Drogisten in ganz Indien. „Knapp vier Millionen Personen sind auf diesen Wirtschaftszweig angewiesen – direkt oder indirekt. Ihr Umfeld ist in Gefahr“, sagte er und fügte hinzu, dass Versandapotheken nicht die Qualifizierung hätten, um rezeptpflichtige Arzneimittel sachgemäß zu dispensieren.

Die Indian Pharmacist Association (IPA) distanzierte sich von dem Streik der AIOCD-Pharmazeuten. Zwar sei man ebenfalls gegen den Versandhandel und habe sich verschiedenen Stellen gegenüber entsprechend geäußert. Man unterstütze aber nicht den Arbeitsausstand, den die AIOCD ausgerufen habe. Der Verband mahnt außerdem an, dass die Apotheker für die öffentliche Gesundheit zuständig seien. Daher sollten alle Streikteilnehmer nicht vergessen, dass es einen akuten Ausbruch des Dengue-Fiebers und der Schweinegrippe zu bekämpfen gebe und dass ein Streik zu Unannehmlichkeiten für die Patienten führe.

Ein Vertreter der Arzneimittelüberwachung Maharashtra FDA nannte die Entscheidung der AIOCD „unreif“. Er sagte, ein Gesetzentwurf sei noch Monate entfernt. Die Regulierungsbehörde hatte Ermittlungen eingeleitet, nachdem dem Versandhändler Snapdeal im Mai nachgewiesen werden konnte, Rx-Arzneimittel ohne Rezept abgegeben zu haben. Snapdeal musste daraufhin einige Produkte und Verkäufer von der Website entfernen.

Angesichts der Attacken aus dem traditionellen Sektor haben sich die Online-Anbieter nun ebenfalls zu einem Verband zusammengeschlossen. Die Indian Internet Pharmacy Association (IIPA) befindet sich derzeit noch in Gründung. Nach eigenen Angaben zählt sie derzeit rund ein Dutzend Mitglieder, darunter mChemist, Netmeds und Pharmeasy. Der Verband sieht sich als Vertreter des Digitalen Indien, das Premierminister Narendra Modi ausgerufen hatte. Man wünsche sich regulatorische Klarheit für den Markt für Versandapotheken.

Die Gesundheitsportale Zigy.com und das vom Start-up-Investor Sequoia unterstützte 1mg betreiben bereits Internetapotheken. Laut Varun Gupta, Leiter für medizinische Angelegenheiten bei 1mg, erreicht die Website der Versandapotheke bis zu 60 Millionen Klicks pro Jahr. Die mobile App sei 3,5 Millionen mal heruntergeladen worden. Laut IMS Health hat der indische Markt ein Volumen von 13 Milliarden US-Dollar. Der Gesundheitsanbieter Apollo Hospitals Enterprise kündigte an, ebenfalls in den Onlinehandel mit Arzneimitteln in Indien einsteigen zu wollen. Zuvor wolle man aber die neuen Vorschriften abwarten.

Arzneimittelverkäufe sind in Indien kaum reguliert. Auch in traditionellen Geschäften geben Apotheker verschreibungspflichtige Medikamente häufig auch ohne Vorlage oder Prüfung von Rezepten ab. Die Versandapotheken argumentieren, sie verletzten keine Arzneimittelgesetze: Kunden müssten ein Rezept zusenden, bevor sie regulierte Arzneimittel kaufen möchten. Von den neuen Regeln erwarte man Klarheit für die neuen Player im Online-Markt, sagte Zigy-Geschäftsführer Hemant Bhardwaj.

Laut Weltapothekerverband FIP gibt es in Indien rund 680.000 Apotheker. Damit kommen etwa fünf Apotheker auf 10.000 Einwohner. Darüberhinaus gibt es im ganzen Land geschätzt etwa 750.000 öffentliche Apotheken, für das stark wachsende E-Commerce-Segment gibt es derzeit noch keinen gesetzlichen Rahmen. Auch Rx-Medikamente können momentan noch ohne Rezept abgegeben werden.

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