USA

IMS kämpft um Apothekendaten Benjamin Rohrer, 30.05.2011 14:19 Uhr

Berlin - 

Wie wertvoll Patienten- und Medikationsdaten für die Gesundheitswirtschaft sind, zeigt sich derzeit in den USA: Normalerweise verkaufen dort Apotheken anonymisierte Informationen über ihre Patienten, deren Medikation und den verschreibenden Arzt an Marktforschungsunternehmen, etwa IMS Health, SDI Health oder Wolters Kluwer Pharma. Die Firmen wiederum verkaufen Auswertungen der Daten an die Pharmaindustrie. Drei Bundesstaaten haben diesem Geschäftsmodell mit Gesetzen ein Ende gemacht. Die Marktforscher fühlen sich diskriminiert und ihrer Handelsfreiheit beraubt. Der Oberste Gerichtshof der USA soll nun eine Grundsatzentscheidung fällen.

Nach New Hampshire und Maine hatte der Bundesstaat Vermont 2007 ein „Rezept-Vertraulichkeitsgesetz“ verabschiedet. Zuvor hatten Ärzte geklagt, weil die Apotheker ohne Zustimmung vertrauliche Daten an Dritte verkauft hatten: Name und Adresse des verschreibenden Mediziners; Name und Dosierung aller verschriebenen Arzneimittel, Ausstellungsdatum und -ort des Rezeptes sowie das Alter und Geschlecht der Patienten.

Nach dem Vermont-Gesetz müssen die Pharmazeuten den Arzt vor der Weitergabe der Daten fragen. Der Staat will die kommerzielle Verwendung der Informationen aber ganz verhindern: Selbst wenn dem Verkauf zugestimmt wird, dürfen die Marktforscher ihre Analysen nur noch an staatliche Behörden, Forschungseinrichtungen oder Versicherungsunternehmen verkaufen.


Der Handel mit den Medikationsdaten ist Millionen wert: Alleine IMS Health zahlte in den USA in den vergangenen drei Jahren jeweils mehr als 700 Millionen US-Dollar an Apotheken. Dementsprechend intensiv haben sich die Datenkonzerne vor Gericht bemüht, die Gesetze anzufechten. In erster Instanz hatte ein regionales Gericht IMS recht gegeben: Die Daten seien wertvoll für die Pharmaindustrie und hätten somit auch einen Mehrwert für die Arzneimittelversorgung aller US-Bürger, so die Begründung des Gerichtes. Unternehmen den Handel miteinander zu verbieten, sei zudem verfassungswidrig.

In der Revision gab das Bundesgericht allerdings dem Staat Vermont Recht - dieser hatte zuvor nämlich glaubhaft dargestellt, dass durch das Gesetz auch die Gesundheitsausgaben gedrosselt werden könnten: Ärzte, die häufig Generika verschrieben, würden mit Hilfe der Daten von den Pharmafirmen identifiziert und dazu angehalten, wieder zu teuren Originalpräparaten zu wechseln. Durch das Gesetz könnten solche Mehrkosten vermieden werden, argumentierten die Vertreter des Staates. Bis heute hat das Gesetz somit weiter Bestand.

IMS fühlt sich benachteiligt: Der Staat dürfe mögliche Geschäftspartner nicht aufgrund ihrer kommerziellen Ausrichtung ausgrenzen, gleichzeitig aber andere Käufer, wie etwa die Regierung oder Forschungsinstitute, zulassen. Der Konzern ist aufgrund der widersprüchlichen Urteile in den Vorinstanzen vor das Oberste Bundesgericht gezogen. „Das Gesetz diskriminiert uns und unsere Kunden“, so ein Konzernsprecher. Falls das Vermont-Gesetz als verfassungswidrig erklärt wird, müssten wohl auch New Hampshire und Maine ihre Regelungen überprüfen.