Hürde für Medikamentenversand soll sinken APOTHEKE ADHOC, 04.10.2018 14:57 Uhr
FDP-Nationalrat Marcel Dobler will den Versand von rezeptfreien Medikamenten vereinfachen, die bisher in der Schweiz paradoxerweise nur auf Rezept versendet werden dürfen. Die Lösung des Politikers: Videochats zwischen Apotheke und Kunde. Die Reaktionen auf die Idee fallen gemischt aus.
Für den St. Galler Nationalrat ist es eine „absurde Situation“, wie er in einem Video-Interview mit der Schweizer Zeitung „Der Blick“ sagte: Man braucht für rezeptfreie Arzneimittel – wie der Name schon sagt – eigentlich auch in der Schweiz kein Rezept. Das gilt allerdings nur, wenn man es direkt in einer Apotheke kauft. Wer sich hingegen dasselbe Medikament per Post nach Hause schicken lassen will, muss ein Rezept vorlegen. Damit will man in erster Linie die Patienten schützen. Denn während man sich in einer Apotheke beraten lassen kann und unter Umständen Alternativen angeboten bekommt, ist es bei einer Onlinebestellung nicht der Fall.
Der St.Galler FDP-Nationalrat will das nun ändern. „Das begreift doch kein Mensch“, echauffiert sich Dobler. „Das ist ein Missstand, den ich korrigieren will“. Er wolle den Onlineversand zwar nicht gleich gänzlich liberalisieren, aber zumindest die Hürden senken. Für die fachliche Beratung, die der Kunde heute direkt in der Apotheke erhält, soll künftig ein Beratungsgespräch über Online-Videogespräch reichen. Die entsprechenden technischen Voraussetzungen hätte heute fast jeder.
Zu diesem Thema hat er eine sogenannte Motion eingereicht. Mit einer Motion verlangt ein Parlamentsmitglied von der Regierung, dass diese eine Gesetzesänderung, einen Beschluss nach eidgenössischem, kantonalem oder kommunalem Recht ausarbeite oder eine bestimmte Maßnahme ergreife.
„Mit einer solchen Telepharmazie analog zur Telemedizin bleibt die Patientensicherheit gewährleistet, aber sie ist viel kundenfreundlicher – gerade für Personen in abgelegenen Gebieten, die nicht gleich eine Apotheke um die Ecke haben“, sagt Dobler im Interview. „Die Kunden können bequem von überall ohne Zeitverlust Medikamente bestellen.“ Auch für Apotheke gebe es einen Zusatznutzen: Ihre potenziellen Kunden kämen plötzlich aus der ganzen Schweiz. Der FDP-Mann ist sogar überzeugt, dass gerade kleine Apotheken davon profitieren könnten. Dobler, der einer von drei Gründern des Onlineshops Digitec ist und damit im Onlineversandgeschäft verwurzelt ist, sieht zudem ein großes Einsparpotenzial „von bis zu 40 Prozent“.
Unterstützung erhält Dobler aus dem Thurgau von der Versandapotheke Zur Rose. „Die heutige Situation ist grotesk“, wird Walter Oberhänsli, Chef der Zur Rose Group, in dem Bericht zum Interview zitiert. Der Versand rezeptfreier Medikamente sei in ganz Europa zugelassen, nur nicht in der Schweiz. Das sei reiner Protektionismus. Eine Korrektur des Heilmittelgesetzes sei überfällig und auch sehr einfach. Auch er erwartet im Falle einer Liberalisierung einen positiven Effekt auf die Gesundheitskosten.
Kritik kommt von den Apothekern. Beim Apothekerverband Pharmasuisse ist man der Ansicht, beim Versandhandel müssten die Sicherheitsanforderungen höher sein. Man lehne den Versand allerdings nicht grundsätzlich ab. „Gerade in der digitalisierten Welt ist die persönliche und kompetente Betreuung und Begleitung nach wie vor sehr gefragt“, wird Pharmasuisse-Generalsekretär Marcel Mesnil im Bericht zitiert. Dabei wollen Apotheker allerdings vor allem auf das elektronische Patientendossier setzen. „In diesem sicheren Rahmen werden Videokonsultationen zwischen eindeutig identifizierten Kunden und Apothekern zielführend sein“, betonte er.
Auch das von Dobler und zur Rose in Aussicht gestelltes Einsparpotential will bei Pharmasuisse niemand erkennen. „Der Versandhandel mit rezeptfreien Medikamenten macht das Gesundheitswesen nicht billiger und schon gar nicht die Krankenkassenprämie, denn die meisten dieser Medikamente müssen aus der eigenen Tasche bezahlt werden“, sagte Mesnil. Für die akute medizinische Grundversorgung sei der Versandhandel zudem nicht geeignet.