Frankreich

Honorarreform: Alterszuschlag für Apotheken

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Berlin -

In Frankreich wird seit Jahresbeginn ein neues Honorarsystem für Apotheken umgesetzt. Dem französischen Apothekerverband USPO zufolge ist die Reform „ein bedeutender Wendepunkt für den Beruf“: Sie soll die Pharmazeuten unabhängiger von den Preisen der abgegebenen Medikamente machen und sie wirtschaftlich stärken. Ganz so sicher kann sich der Verband aber nicht sein, es wurden nämlich zwei Hintertüren eingebaut.

„2018 wird ein Jahr des Umbruchs für die Apotheken“, hat USPO-Präsident Gilles Bonnefond zu Jahresbeginn angekündigt. Es sei „Zeit, den Apotheken einen neuen wirtschaftlichen Elan zu bieten und neue Perspektiven zu eröffnen“. Die Reform geht zurück auf den sogenannten Änderungsantrag Nr. 11 zum Arzneimittelabkommen, den die Apotheker im Juli vergangenen Jahres mit dem Krankenkassenverband UNCAM unterzeichnet hatten. Umgesetzt wird das neue Honorarsystem jedoch nicht auf einen Schlag, sondern in mehreren Schritten bis zum Jahr 2020.

Ziel der Reform ist es, die Apotheken weniger abhängig von Medikamentenpreisen zu machen, um die Auswirkungen von zu erwartenden Preissenkungen für Arzneimittel auszugleichen. Dazu wurde zuallererst das System von Fix- und Festzuschlägen geändert. Bisher erhalten Apotheker in Frankreich pro abgegebener Packung einen Fixzuschlag von 1 Euro plus einem Festzuschlag, der nach Höhe des Preises gestaffelt ist. Der Fixzuschlag bleibt, Staffelung und Höhe der Festzuschläge ändern sich hingegen: Bis 1,91 Euro beträgt er seit Jahresbeginn 10 Prozent des Medikamentenpreises – bis vergangenes Jahr gab es das nicht.

In den Preisklassen darüber sinkt die Höhe im Verhältnis zum Arzneimittelpreis dann: Betrug er 2017 noch 25,5 Prozent für Medikamente bis 22,90 Euro, liegt er dieses Jahr bei 21,4 Prozent und sinkt bis 2020 sukzessive auf 7 Prozent. Das Gleiche gilt für Medikamente bis 150 Euro, hier sinkt der Zuschuss von 8,5 auf 5,5 Prozent. Die darüber liegende Preisklasse wird bis 2020 schrittweise angehoben, von 1500 auf 1930 Euro. Hier sinkt der Festzuschlag ab 2020 von 6 auf 5 Prozent. Für Medikamente jenseits dieser Preisklasse gibt es keinen Festzuschlag mehr.

Apotheker verdienen also zukünftig im Verhältnis mehr an niedrig- als an hochpreisigen Medikamenten als zuvor. Insgesamt werden die Fix- und Festzuschläge aber spürbar sinken: Zwischen 2018 und 2020 sollen die Einnahmen aus den Gewinnmargen um rund 1,2 Milliarden Euro abnehmen. Das muss ausgeglichen werden, wofür die die Krankenkassen im selben Zeitraum 1,415 Milliarden Euro versprechen. Dazu werden 2019 drei neue, von den Medikamentenpreisen unabhängige Zuschläge eingeführt und im Folgejahr teils erheblich erhöht.

Für erstattungsfähige Medikamente wird dann ein Fixzuschlag von 50 Cent gezahlt. Hinzu kommt ein altersabhängiger Zuschlag: Wird ein Medikament an Patienten über 70 oder für Kinder unter drei Jahren abgegeben, beträgt er 50 Cent. 2020 erhält der Betrag eine satte Steigerung auf 1,55 Euro. Außerdem wird ein Fixzuschlag für eine Reihe spezieller Medikamente eingeführt, die gesondert festgelegt werden. Darunter befinden sich beispielsweise Immunmodulatoren wie das MS-Medikament Copaxone, Antibiotika wie Amikacin, aber auch Notfallkontrazeptiva wie EllaOne. Für sie erhalten die Apotheken ab kommendem Jahr einen Zuschlag von 2 Euro pro Packung, der 2020 auf 3,50 Euro steigt.

„Bis Ende des Jahres 2020 wird sich diese neue Vergütungsordnung für 93 Prozent der Apotheken positiv ausgewirkt haben“, verspricht Bonnefond. Für die restlichen 7 Prozent werde daraus zumindest kein Nachteil entstehen. Dennoch lässt sich im Detail noch nicht verlässlich kalkulieren, welche finanziellen Auswirkungen die Reform für die Apotheken haben wird. Deshalb haben Kassen- und Apothekerverband Netz und doppelten Boden in den Änderungsantrag eingebaut: Zwei Sonderklauseln sollen sicherstellen, dass den Apotheken aus dem neuen Honorarsystem kein wirtschaftlicher Schaden entsteht.

So soll einerseits in den Jahren 2018 bis 2021 „auf vergleichbarer Basis“ ermittelt werden, ob den Apotheken gemessen an den Vergütungsparametern von 2017 ein Verlust entstanden ist. Sollte dies der Fall sein und der Verlust im jeweiligen Jahr 350 Euro oder mehr pro Offizin betragen, so werde er von den Krankenkassen ausgeglichen. Außerdem wurde explizit die Möglichkeit einer Neuverhandlung festgeschrieben: Sollte die Behörde, die die Honorare überwacht, im ersten Halbjahr 2020 feststellen, dass sich die Gesamtvergütung der Apotheken im Vergleich zu 2016 um mindestens 1 Prozent verringert hat, dann werden innerhalb von zwei Monaten Neuverhandlungen zum Änderungsantrag aufgenommen.

Den französischen Apothekern soll so Sicherheit suggeriert werden in einer Zeit, die nicht leicht für die Branche ist. Erst kürzlich erschütterte ein Bericht des Rechnungshofs die Pharmazeuten, demzufolge aus Kostengründen fast die Hälfte der rund 22.000 Apotheken des Landes verschwinden müssten. Es seien strikte Einsparungen bei den Distributionskosten für Arzneimittel notwendig und ein Großteil dieser Kosten entfalle auf die Apotheken. Überhaupt sei Frankreich mit Apotheken überversorgt, war im sogenannten Bericht zur sozialen Sicherheit nachzulesen: Ihre Zahl sei fast doppelt so hoch wie die Obergrenze der Bedarfsplanung es zulässt.

Die meisten Apotheken verzeichnen laut dem Bericht eine wachsende Profitabilität, während die Ausgaben für erstattungsfähige Medikamente kontinuierlich zurückgingen. Deshalb schlägt der Rechnungshof unter anderem vor, das Apothekenmonopol zurechtzustutzen: Es solle auf verschreibungspflichtige Medikamente beschränkt und der Rx-Versand gleichzeitig liberalisiert werden. Eine Reaktion der Apotheker ließ nicht lange auf sich warten, der Verband FSPF startete umgehend ein Kampagne gegen die Vorschläge des Rechnungshofs. Auf den Plakaten ist unter anderem eine Landstraße mit einem Wegweiser zu sehen: „Nächste Apotheke: 61 km“.

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