Die Arzneimittelversorgung in den verbleibenden 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) und in Großbritannien scheint bis auf Weiteres gesichert. Unterhändler der EU und Großbritanniens haben sich heute auf einen Brexit-Vertrag geeinigt. Damit ist die Chance deutlich gestiegen, dass der sogenannte „harte“ Brexit quasi in letzter Minute verhindert wird. Gemäß der Vereinbarung könnten damit auch in der Arzneimittelversorgung nun bestimmte Detailregelungen übergangsweise bis mindestens Ende 2020 weiter gelten, begrüßt der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH).
„Mit der Einigung zugunsten des Austrittsvertrages ist die Wahrscheinlichkeit deutlich gestiegen, dass der Warenfluss zwischen der EU und Großbritannien auch nach dem Brexit nicht behindert wird. Im Hinblick auf die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln ist das zu begrüßen. Nun liegt es beim britischen Parlament, dem Vertrag zuzustimmen“, so Dr. Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft beim BAH.
Über Großbritannien gelangen derzeit laut BAH noch viele Roh- und Wirkstoffe auf den europäischen Markt. Darüber hinaus wird nahezu jedes vierte Arzneimittel für den gesamten EU-Markt in Großbritannien freigegeben und in Verkehr gebracht. Ab dem 31. Oktober ist Großbritannien voraussichtlich nicht mehr Mitglied der EU.
Heute haben sich Unterhändler der EU und Großbritanniens doch noch auf einen Deal geeinigt. Dieser muss allerdings noch vom EU-Parlament und dem britischen Unterhaus bestätigt werden. Vor allem im britischen Parlament gibt immer noch Widerstand gegen den Deal. Die nordirische Partei DUP lehnt nach einem BBC-Bericht das neue Abkommen aber ab. Auch Labour-Chef Jeremy Corbyn lehnt das neue Brexit-Abkommen ab und sprach von einem „Ausverkauf“. Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei im Unterhaus teilte mit: „Es scheint, dass der Premierminister einen noch schlechteren Deal verhandelt hat als Theresa May.“ Es gefährde unter anderem die Sicherheit von Lebensmitteln, den Umweltschutz und die Rechte von Arbeitnehmern. Erneut forderte er ein zweites Brexit-Referendum. Die Briten hatten vor etwa drei Jahren mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt.
Daher dürfte es für Premierminister Boris Johnson schwierig werden, den Deal durch das Unterhaus zu bringen. Der konservative Politiker hat im Parlament keine Mehrheit. Johnson teilte mit, nun müsse das Unterhaus am Samstag darüber abstimmen, damit der EU-Austritt vollzogen werden könne. Danach könne man sich wieder auf andere „Prioritäten“ konzentrieren wie Lebenshaltungskosten, das Gesundheitssystem NHS, Gewaltkriminalität und Umwelt, erläuterte Johnson auf Twitter.
Streitpunkt war bis zuletzt vor allem die enthaltene Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland, der sogenannte Backstop. Derzeit gibt es keine Kontrollen zwischen beiden Teilen der irischen Insel. Das wollen Dublin und Brüssel nach dem Brexit nicht ändern.
Die Einigung umfasst nun vier Punkte: Nordirland hält sich weiter an bestimmte EU-Warenstandards; Nordirland bleibt sowohl in einer speziellen Zollpartnerschaft mit der EU als auch in der Zollunion des Vereinigten Königreichs; es gibt eine Vereinbarung über die Mehrwertsteuer, um Marktverzerrungen zu vermeiden; und die nordirische Volksvertretung könne vier Jahre nach Inkrafttreten der Vereinbarung und dann nach bestimmten Zeiträumen immer wieder darüber abstimmen, ob sie weiter gelten solle. Die jetzige Vereinbarung sei keine Übergangslösung, sondern würde dann auf Dauer gelten. Darüber hinaus gibt Großbritannien „solide Garantien“, dass EU-Standards etwa bei Umwelt- oder Sozialauflagen nicht unterboten werden.
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