Apothekerfehler sollen straffrei bleiben APOTHEKE ADHOC, 09.06.2015 12:00 Uhr
Großbritanniens Apotheker sollen bei Abgabefehlern in Zukunft straffrei bleiben. Im Gegenzug erhofft sich die staatliche Gesundheitsverwaltung ehrlichere Informationen von den Apothekern. Opfer falsch abgegebener Medikamente und ihre Anwälte glauben jedoch nicht an eine neue Fehlerkultur.
In Großbritannien kann derzeit gegen Apotheker, die einen Fehler zugeben, strafrechtlich ermittelt werden – auch wenn die Fehlabgabe nicht beabsichtigt war. Die britische Regierung will mit der geplanten Gesetzesänderung Apotheker und ihre Angestellten dazu bringen, offener mit Fehlern umzugehen. Wenn Apotheker keine Angst mehr vor Strafverfolgung haben müssten, würden sie dazu ermuntert, Abgabefehler häufiger zu berichten. Damit sollen künftige Fehler vermieden werden.
Das bisherige, freiwillige Berichts- und Lernsystem des staatlichen Gesundheitsdiensts (NHS) weist bei einer Milliarde Verschreibungen pro Jahr rund 10.000 Fehler aus – nur 0,001 Prozent. Der vorerst letzte umfassende Bericht von 2007 wies für England und Wales jedoch eine Fehlerquote von 0,02 Prozent aus. Eine Untersuchung in mehreren Apotheken förderte zudem im gleichen Jahr mit 3 Prozent eine wesentlich höhere Quote zu Tage.
Forscher gehen davon aus, dass in Großbritannien jedes Jahr 250.000 Patienten die falschen Medikamente bekommen. Die meisten Fälle blieben ohne größere Folgen, heißt es vom NHS; allerdings hätten im vergangenen Jahr 1200 Menschen Schäden durch Abgabefehler erlitten. 2014 gab es drei Todesfälle, die mit Fehlabgaben durch Apotheken in Verbindung gebracht werden. Nach BBC-Recherchen starben seit 2009 sieben Patienten nach Abgabefehlern.
Die BBC berichtete jüngst über den Fall einer Frau, die vor zwei Jahren nach einem hypoglykämischen Schock starb. Ein Apotheker hatte ihr statt Tabletten gegen Morbus Crohn ein Diabetesmittel gegeben. Trotz zweimaligen Einspruchs der Patientin blieb der Apotheker straffrei, was die Tochter der Verstorbenen nicht nachvollziehen kann. Unabhängig davon sahen sich Apotheker in Großbritannien in den vergangenen Jahren immer öfter mit Schadenersatzforderungen von Patienten konfrontiert.
Die britischen Apotheker klagen laut der Selbsthilfe-Organisation „Pharmacist Support“ über wachsenden Stress. Immer mehr Apotheker riefen bei der Seelsorger-Hotline an. Sie erzählten von steigendem Druck, zu wenig Personal und einer gleichzeitig wachsenden Zahl von Verschreibungen.
Die Apothekerkammer RPS glaubt, dass durch die geplante Gesetzesänderung die Patientensicherheit erhöht wird. Wenn mehr Fehler berichtet würden, profitierten alle Akteure im Gesundheitssystem davon.
Opferanwälte und ihre Klienten bezweifeln jedoch den Nutzen der Gesetzesänderung. Sie kritisieren, dass die Apotheker künftig straffrei bleiben sollen. Die Regierung verweist darauf, dass absichtliche Fehlabgaben nach wie vor strafrechtlich verfolgt werden sollen.