Kommentar

Entmündigung für Apotheken

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Berlin -

Als vor einigen Jahren auf europäischer Ebene über das Fremd- und Mehrbesitzverbot gestritten wurde, ging es um mehr als die Besitzverhältnisse für Apotheken. Frei von demokratischer Kontrolle und Transparenzpflichten, kämpfte in Brüssel eine kleine Truppe verschwiegener Bürokraten für die Interessen von Großkonzernen. Erst der Europäische Gerichtshof (EuGH) stoppte den Liberalisierungsrausch. Jetzt wiederholt sich in Griechenland die Geschichte.

Wenn man zahlungsunfähig ist, muss man zum Insolvenzverwalter. Der sieht zu, dass er die wirtschaftliche Schieflage in den Griff bekommt und die Gläubiger so gut es geht ausbezahlen kann. Weil Griechenland kein Unternehmen ist, sondern ein Land in Europa, kümmert sich die Troika in Athen um das Krisenmanagement.

Doch man könnte meinen, Griechenland wäre selbst mit einem Hedgefonds im Nacken besser dran. Der würde zwar versilbern, was nicht niet- und nagelfest ist – aber diesbezüglich kennen ja auch die Freunde aus Brüssel kein Pardon. Im politischen Sinne reinregieren könnte der Geldgeber vom Kapitalmarkt den Griechen dagegen nicht.

Genau das tun EU, Internationaler Währungsfonds (IWF) und Europäische Zentralbank (EZB) – und zwar außerhalb des politischen Rahmens auf intransparenten Wegen. Auch wenn Griechenland womöglich jahrzehntelang falsch regiert wurde: Die Finanzexperten haben keine demokratische Legitimation, weder seitens der griechischen Bevölkerung noch seitens der Gemeinschaft in Europa. Im EU-Parlament regte sich schon im Herbst Widerstand gegen die Allmacht der Troika.

Wie gefährlich der Freibrief für die Finanzbeamten ist, lässt sich an den Vorschlägen zum Apothekenmarkt sehr gut ablesen: Möglichst große Paracetamol-Packungen lösen mit Sicherheit keine Krise. Ökonomen sind keine Gesundheitspolitiker; wer die Bilanz von heute verbessern will, schert sich nicht um die Versorgung von morgen.

Erschreckend ist aber, mit welcher Chupze sich die Finanzkontrolleure über nationales und europäisches Recht hinwegsetzen. Dass der EuGH es den Mitgliedstaaten überlassen hat, sich für oder gegen Apothekenketten zu entscheiden, interessiert die Troika nicht. Man handele im Auftrag der europäischen Finanzminister und bewege sich stets im gesetzlichen Rahmen der EU, heißt es etwa bei der EZB.

Auffällig ist auch das Geschick, mit dem die Gesandten ihre Positionen durchsetzen. Weil die Task Force keine Gesetze verabschieden kann, muss das griechische Parlament selbst über Vorschläge abstimmen, die ihm aufoktroyiert werden. Formal entscheidet die Regierung in Athen über die Empfehlungen der OECD, die sich ihrerseits unter anderem auf eine frühere Studie der EU-Kommission zum Apothekenmarkt bezieht. Die Geldgeber loben dann die Fortschritte, die gemacht wurden.

Dass ein solches Maskentheater die stolzen Griechen auf die Straße treibt, ist nachvollziehbar. In welchem anderen Land würden sich Gesundheitspolitiker Vorschläge gefallen lassen, nach denen ein Arzneimittel automatisch zur Selbstmedikation (außerhalb der Apotheke) freigegeben werden muss, wenn es in drei anderen EU-Ländern als OTC-Produkt erhältlich ist.

Woher der Wind weht, zeigt auch die Tatsache, dass die demographischen Niederlassungsbeschränkungen erhalten bleiben sollen. Angeblich geht es um die Sicherung der Versorgung auf dem Land, doch schon Celesio hatte sich 2006 für eine Bedarfsplanung stark gemacht, um die eigenen Investitionen zu schützen.

Das EuGH-Urteil zum Fremdbesitzverbot hatte Hoffnungen gemacht, dass Europa wieder mehr als ein gemeinsamer Binnenmarkt für Konzerne werden könnte. Denn die Finanzkrise hatte die Risiken einer allzu freimütigen Liberalisierung offen gelegt. Doch ausgerechnet diejenigen, die jetzt die Probleme Griechenlands und Europas lösen sollen, haben anscheinend am wenigsten dazu gelernt.

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