Oesterle: Lektionen für Lausbube Tsipras APOTHEKE ADHOC, 08.07.2015 13:37 Uhr
Dr. Fritz Oesterle war nie nur Konzernchef – sondern immer auch gesellschaftspolitischer Kommentator. Er brach eine Lanze für Stuttgart 21, als in der baden-württembergischen Landeshauptstadt die Menschen auf die Straße gingen. Er kritisierte vor der Bundestagswahl 2009 die aus seiner Sicht verfehlte Wirtschaftspolitik der Großen Koalition. In einem Gastbeitrag für das Manager Magazin fordert er die EU-Institutionen auf, hart gegen Griechenland zu bleiben. Sonst würde bald niemand mehr seine Schulden zurückzahlen.
Niemand habe Griechenland die Schulden aufgezwungen, unter denen die Bevölkerung jetzt stöhnt. „Umfang und Konditionen dieser Schulden hat Griechenland als sein eigener Souverän verhandelt und akzeptiert“, hält Oesterle fest.
Bei aller Bewunderung für den Erfolg und den „lausbubenhaften Charme“ von Ministerpräsident Alexis Tsipras: Staats- wie völkerrechtlich sei das Referendum für die Verpflichtungen Griechenlands gegenüber IWF, EZB und Euro-Zone bedeutungslos: Diese seien – anders als Tsipras glaube oder der Welt einreden wolle – basisdemokratischen Entscheidungen nicht zugänglich: „Vertragliche Abmachungen zwischen Staaten stehen nicht zur parlamentarischen oder plebiszitären Disposition von Folgeregierungen.“
Das Referendum ist laut Oesterle daher ein – medial gut inszeniertes – Nichts. „Jede andere Sichtweise würde Verträge zwischen Staaten immer und überall der Beliebigkeit preisgeben.“ Der Volksabstimmung fehlt aus Sicht von Oesterle auch jede moralische oder sozialethische Dimension und damit jede Eignung, Druck auf die Gläubiger auszuüben.
Um zu illustrieren, wie verheerend die Vorbildfunktion wäre, wenn die EU dem Druck aus Athen nachgibt, vergleicht Oesterle Tsipras mit einem Familienvater, der Frau und Kinder befragt, ob sie sich einschränken möchten, um ihre Schulden zurückzahlen zu können. „Mit einem überzeugenden 'Nein' seiner Familie im Rücken, sagt er seiner Bank – ebenso wie Tsipras den Institutionen – unter welchen Bedingungen er sich eine, allerdings nur teilweise Rückzahlung vorstellen kann. Dass dies bei seiner Bank auf wenig Gegenliebe stößt, wird ihm nicht besonders einleuchten, wenn der gleiche Ansatz Tsipras zu nationaler und teilweise internationaler Glorifizierung verhilft.“
Weder die Institutionen noch die Bank des Familienvaters dürften sich durch „artfremden Druck“ Zugeständnisse abnötigen lassen. „Dies gilt auch für die parlamentarischen Vertreter, die über neue Hilfen zu entscheiden haben. Auch sie haben bei ihrer politischen Entscheidung in erster Linie die nationalen Vermögensinteressen ihres Landes zu wahren“, schreibt Oesterle.
Er verweist auch auf die Bundesländer, die sich mit der geplanten Schuldenbremse schwer tun: „Wie soll dort das nötige Sparen vermittelt werden, wenn in Griechenland statt Sparen Noch-mehr-Schulden das Mittel der Wahl sein darf.“
Auch die Vertreter der EU-Institutionen seien nur „Sachwalter fremden Vermögens“: „Die ihnen anvertrauten finanziellen Mittel sind Mittel der Steuerbürger der Euro-Zone. Ohne ausdrückliche Legitimation berechtigt sie nichts, auf die vertragskonforme Abwicklung der Schuldenbeziehung zu Griechenland zu verzichten, weder ein drohender Staatsbankrott noch ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone.“
EZB-Chef Mario Draghi habe seine Kompetenzen bereits überschritten, indem er gutes Geld schlechtem hinterhergeworfen habe. Laut Oesterle wäre es traurig, wenn das Steueraufkommen in der Euro-Zone weiter sanktionslos für Handlungsweisen herhalten küsse, die bei jedem privatwirtschaftlichen Unternehmen und bei jedem nationalen Amtsträger in die direkte strafrechtliche Verantwortung führten.