OECD

Wellan: Griechenland-Papier ist Schwachsinn

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Berlin -

Die Bundesregierung hat zugestimmt, Verhandlungen über ein drittes Kreditprogramm für Griechenland aufzunehmen. Dem vorausgegangen war die Zustimmung des griechischen Parlaments zu Reformauflagen aus Brüssel. Damit hat sich Griechenland unter anderem dazu verpflichtet, Apothekenketten zuzulassen und OTC-Medikamente in Supermärkten zu verkaufen. Max Wellan, Präsident der Österreichischen Apothekerkammer, sieht das kritisch: „Es ist erschreckend, was da abgeht“, so sein Urteil.

Griechenland muss zahlreiche Sparmaßnahmen umsetzen. Beschlossen sind bereits eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und ein späterer Renteneintritt. Weitere Reformen sollen folgen, etwa die Vorschläge zum Apothekenmarkt. Die Forderungen der Geldgeber basieren auf einem Papier der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem vergangenen Jahr.

Doch genau dieses Dokument sieht Wellan kritisch: „Der OECD-Bericht wirkt im Kapitel OTC-Arzneimittel und Apotheken, als ob ihn ein Praktikant mit Vorurteilen verfasst hat – oder als ob er unter dem massiven Einfluss von Konzernen entstanden ist.“

Das zeigt sich Wellans Meinung nach schon im ersten Satz: Dort heißt es, OTC-Arzneimittel seien Medikamente, die ohne Kontakt zu einem Heilberufler eingenommen werden. „Die haben das ganze Konzept von OTC-Arzneimitteln und die Rolle der Apotheker dabei nicht verstanden“, kritisiert Wellan. „Und das geht so weiter, das Papier strotzt vor Fehlern.“

Zum Beispiel werde der Begriff „Drugstores“ als Vertriebskanal außerhalb von Apotheken eingeführt, aber nicht definiert. „Und dann wird erklärt, dass solche Drugstores in Deutschland OTC-Arzneimittel verkaufen dürften, genauso wie Supermärkte“ , so Wellan. Und es geht weiter: „In dem OECD-Bericht wird eine Studie zitiert, dass die Aufhebung von Regularien bei Apotheken die Produktivität in Europa um exakt 40,1 Prozent verbessern würde. Damit machen sie sich vollends lächerlich.“

An anderer Stelle würden wahllos Preisvergleiche aufgeführt. „Bei Acetylsalicylsäure beispielsweise sind die Preise in Österreich am niedrigsten, und wir haben aber klare Regeln. Logisch wäre daher die Empfehlung, das österreichische System zu übernehmen.“

Die Ökonomen schlagen in dem Bericht vor, dass Medikamente aus der Rezeptpflicht entlassen werden sollen, sobald sie in mindestens fünf EU-Ländern als OTC verkauft werden. Außerdem sollen die Preisvorgaben aufgehoben und OTC-Arzneimittel außerhalb von Apotheken verkauft werden. „So ein schwachsinniger Report ist mir noch selten untergekommen“, so Wellans Urteil.

Auch den Vorschlag, das Fremdbesitzverbot aufzuheben, sieht der österreichische Kammerpräsident kritisch: „Es ist nicht nachvollziehbar, wie das helfen kann.“ Vollkommen vernachlässigt werden aus Sicht von Wellan die Auswirkungen auf die Steuern. „Die Ketten in England zahlen etwa 8 Prozent Steuern, eine unabhängige Apotheke zahlt mehr als 40 Prozent. Wenn man Ketten hinein lässt, muss man davon ausgehen, dass die ihre durch Steuertricks minimierten Steuern gar nicht in Griechenland zahlen.“

Wellans Fazit ist deutlich: „Dieses Basis-Papier ist eine Katastrophe.“ Er sieht liberale Kräfte am Werk: „Es entsteht der Verdacht, dass sich Konzerne Griechenland einverleiben wollen.“ Aber auch in der EU gibt es seiner Meinung nach Befürworter von Apothekenketten. „Die OECD und die EU-Kommission können mit dem Konzept der Freien Berufe nichts anfangen, das zieht sich durch ihre ganze Politik.“

In die Verantwortlichen setzt Wellan ohnehein kein großes Vertrauen. „Die OECD-Ökonomen verstehen vielleicht ein bisschen was von Preisen, aber sie haben keine Ahnung von Nutzen“, so Wellan. Ihnen fehle das politische Feingefühl. „Wenn man radikale Kräfte selbst bei wohlmeinenden Leistungsträgern einer Gesellschaft stärken will, muss man nur so weiter agieren“

Wellan fordert von den Verantwortlichen „evidenzbasierte Politik“. „Wir sind es als Naturwissenschaftler gewohnt, so zu arbeiten – und das, was die OECD für Arzneimittel und Apotheken vorschlägt, ist von jeder Evidenz meilenweit entfernt.“

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