Griechenlands Apotheker gehen wieder auf die Straße. Das Reformpaket aus Brüssel enthält genau das, was sie schon befürchtet hatten: OTC-Medikamente sollen fortan auch in Supermärkten erhältlich sein, das Fremdbesitzverbot für Apotheken soll aufgehoben werden. Wenn das Parlament den Auflagen heute zustimmt, müssen diese Neuregelungen schnell umgesetzt werden. Das könnte noch mehr Apotheker zur Geschäftsaufgabe zwingen.
Wegen dieser Reformen würden die Apotheker einen Tag lang streiken, erklärt Konstantinos Vavritsas. Besonders wenn Nicht-Apotheker Apotheken gründen dürfen, würde das zahlreiche Apotheken zerschlagen, berichtet der Apotheker. Bislang ist der Fremdbesitz von Apotheken in Griechenland wie hierzulande nicht möglich. Doch das soll nun geändert werden. „Das kommt den Ketten zugute; bald haben wir dann wohl Boots auch in Griechenland. Viele kleine Apotheken gerade in den Großstädten werden dann aufgeben müssen“, erwartet Vavritsas.
Für seine Apotheke befürchtet Vavritsas vorerst keinen Konkurrenzdruck von Ketten. Denn nach der Bedarfsplanung darf in Griechenland auf 1000 Einwohner höchstens eine Apotheke kommen. Diese Regelung werde von den Reformen nicht berührt. Seine Apotheke befinde sich auf der Insel Sifnos. Dort sei dieses Verhältnis von ihm und einer zweiten Apotheke bereits gedeckt.
Die Insellage habe aktuell einen weiteren Vorteil: Mit Verkäufen an Touristen kann er sich weiterhin finanzieren, obwohl die griechischen Krankenkassen während der Krise erst bis zu 90 Tage später Kosten für Medikamente erstatten. „Ich habe immer noch offene Rechnungen aus der zweiten Märzhälfte“, sagt er. So sei die Liberalisierung der OTC-Medikamente eine neue Gefahr für ihn.
Aber Vavritsas glaubt nicht, dass der Apothekerstreik die Reformen verhindern kann. „Die Maßnahmen sind schon beschlossene Sache“, sagt er. „Dabei wissen alle, dass die Reformen nicht Griechenland helfen, sondern nur die großen Player begünstigen.“
Gegen die Liberalisierung der OTC-Medikamente hatten die Apotheker bereits Anfang Juni protestiert. Damals hatte sich der Gesundheitsminister Panagiotis Kouroumpli hinter sie gestellt. „Aber es ist so, als ob wir keine eigene Regierung hätten“, sagt eine Apothekerin aus Athen. „Die Regierung macht nicht, was sie ihren Wählern versprochen hat; sondern was Brüssel von ihr fordert.“ Die neuen Sparmaßnahmen seien zu hart: „Wie sollen wir noch mehr Steuern zahlen, wenn wir jetzt schon nichts mehr haben?“, kritisiert sie.
Die Verhandlungen zwischen Griechenland und der EU hätten nicht zu einem Kompromiss geführt. Stattdessen seien die Auflagen der europäischen Geldgeber ohne Berücksichtigung der griechischen Einwände beschlossen worden: „Take it or leave it: So hat uns die Troika ihr Reformpaket vorgelegt“, sagt sie.
20 Milliarden sollen von Brüssel kommen, wenn die griechische Regierung den Maßnahmen heute zustimmt. Doch das Geld werde vollständig in die Banken fließen, vermutet Vavritsas. „In der Realwirtschaft kommt es nicht an. Daher haben wir Griechen nichts von den Hilfen.“ Genauso sei es mit den in den vergangenen Jahren genehmigten Krediten aus Brüssel gewesen: „Es wird immer wieder der gleiche Fehler gemacht.“
Vavritsas weist auf eine weitere Gefahr hin: „Die Preise für Medikamente sind in Griechenland extrem niedrig. In den vergangenen fünf Jahren sind sie um die Hälfte gefallen. Großhändler verkaufen ihre Bestände daher zu besseren Preisen ins Ausland“, sagt er. Daher kämen nur etwa 20 Prozent der bei den Großhändlern verfügbaren Arzneimittel in den griechischen Apotheken an, schätzt er.
Während der vergangenen zwei Wochen sei es in seiner Apotheke jedoch zu keinen Medikamentenengpässe gekommen, berichtet Vavritsas. „Es hat aber von unserem Großhändler ein Bezugslimit gegeben – zuerst konnte ich täglich höchstens für 1000 Euro, dann für 2000 Euro bestellen“, sagt er. Doch seit Montag sei diese Beschränkung wieder aufgehoben. Auch Bezahlungen der Medikamente habe er über Online-Banking problemlos durchführen können.
Einen Grexit sieht er nicht auf sich zukommen – zumindest nicht in den nächsten drei bis vier Jahren. Seine Kollegin aus Athen befürchtet dagegen, dass Griechenland unabwendbar auf einen Euroaustritt zusteuert. „Was wir auch tun, ob wir uns gegen die Auflagen wehren und keinen Kredit mehr bekommen – oder sie akzeptieren und noch mehr sparen: In jedem Fall wird es für unser Land nicht gut ausgehen.“
Neben den Apothekern streiken auch Staatsbedienstete und das Pflegepersonal in staatlichen Krankenhäusern aus Protest gegen das Sparpaket. Reformgegner riefen zu Demonstrationen auf. Die Polizei erließ besondere Sicherheitsvorkehrungen, nachdem es in der Vergangenheit bei solchen Kundgebungen zuweilen zu schweren Ausschreitungen gekommen war.
Zugleich wird das Parlament heute über die Sparauflagen aus Brüssel abstimmen. In der Abstimmung ist Premierminister Alexis Tsipras möglicherweise auf Stimmen der Opposition angewiesen, um die nötige Mehrheit zum Reformpaket zu bekommen. Denn aus der Regierungspartei Syriza haben sich bereits auf dem Eurogipfel 32 der 149 Parteiabgeordnete von den Sparvorhaben distanziert.
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