USA

Säuglinge mit Paracetamol vergiftet

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Berlin -

Paracetamol ist die häufigste Ursache für Vergiftungen bei Säuglingen in den USA. 8 Prozent der Fälle in der Datenbank der nationalen Giftinformation gehen auf das Analgetikum zurück – 22.000 Fälle in zehn Jahren.

Dr. A Min Kang, Toxikologe der Banner-University in Phoenix, Arizona, hatte mit seiner Arbeitsgruppe die Berichte zu Vergiftungen von Säuglingen von unter sechs Monaten für den Zeitraum von 2004 bis 2013 ausgewertet. Im Februar 2016 wird die US-Studie im Fachjournal Paediatrics veröffentlicht; schon die Vorabinformation zeigt: Vergiftungen bei Säuglingen sind sehr häufig.

Insgesamt wurden in dem Zeitraum 270.000 Intoxikationen mit Arzneimitteln registriert. Knapp die Hälfte geht auf unbeabsichtigtes Verschlucken von Medikamenten zurück. Mehr als ein Drittel ergab sich aufgrund von Medikationsfehlern. Dabei kam es sowohl zu falschen Dosierungen als auch zu Verwechslungen der Medikation und Mehrfachgabe. Dosierungsschemata wurden zudem nicht eingehalten.

Paracetamol war in 22.000 Fällen die Ursache. Ähnlich wie in Deutschland gibt es in den USA das Analgetikum sowohl ohne Rezept als auch in rezeptpflichtigen Arzneimitteln in Kombination mit Opioiden. Paracetamol ist in den USA Mittel der ersten Wahl bei Neugeborenen zur Fiebersenkung und Schmerztherapie. Laut Arzneimittelbehörde FDA kommt es offenbar auch zu Überdosierungen, weil Eltern unwissentlich verschiedene Paracetamol-haltige Präparate kombinieren.

Die FDA hatte bereits präventive Maßnahmen zu Überdosierungen initiiert, sodass bei flüssigen oralen Paracetamol-Zubereitungen mittlerweile standardisierte Tropfvorrichtungen und das einheitliche metrische System zur Mengenangabe verwendet werden. In Deutschland fallen die Zahlen zu Vergiftungen mit Paracetamol deutlicher geringer aus. Laut einer Meldung des BfArM aus dem Jahr 2010 gibt es rein rechnerisch 1,2 Fälle auf 100.000 Versicherte.

In Deutschland stehen Präparate mit Paracetamol und Ibuprofen für die Behandlung von Säuglingen zur Verfügung. Paracetamol kann ab dem ersten Tag bei einem Körpergewicht von drei Kilogramm gegeben werden. Ibuprofen ist indiziert ab einem Lebensalter von drei Monaten und sechs bis acht Kilogramm Körpergewicht. Gerade auch die Kombinationstherapie bei akutem Fiebergeschehen ist indiziert, da nicht die Maximaldosen der einzelnen Wirkstoffe erreicht werden.

Bei Überdosierungen mit Paracetamol ist die gefährlichste Folge Leberversagen. Dies gilt für Erwachsene, Kinder und Säuglinge gleichermaßen. Paracetamol wird im Körper durch das Enzymsystem Cytochrom P450 (CYP-Enzyme) in der Leber abgebaut. Bei diesem Vorgang entsteht das toxische Abbauprodukt N-Acetyl-p-benzochinonimid.

Normalerweise fängt Glutathion den gefährlichen Metabolit ab. Wird aber bei einer Intoxikation Glutathion im Körper aufgebraucht, bindet der Metabolit an Proteine der Leberzellen. Die Zellen werden geschädigt und sterben ab. Wenn im akuten Mangel kein Ersatz verabreicht wird, schreitet die Leberschädigung voran und äußert sich symptomatisch in Gelbsucht, Unterzuckerung und gesteigerter Blutungsneigung. Unbehandelt kommt es nach etwa einer Woche zu Krämpfen, Kollaps, Koma und schließlich zum Tod.

Die Kleinsten haben aber einen gewissen Vorteil: Aufgrund der geringen Ausstattung an Metabolisierungsenzymen nach der Geburt wird Paracetamol deutlich weniger über die CYP-Enzyme in den toxischen Metabolit überführt. Dennoch sei jede unnötige Arzneimittelgabe und Fehldosierung bei Kindern strengstens zu vermeiden, empfehlen die Wissenschaftler.

In Schweden ist Paracetamol seit November in Tablettenform wieder apothekenpflichtig. Sechs Jahre lang war das Analgetikum auch im Mass Market zu Hause. Seitdem war die Zahl der Vergiftungsfälle gestiegen. Paracetamol in flüssiger Form und als Brausetablette ist weiterhin frei verkäuflich.

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