Alle Jahre wieder gibt es eine Diskussion über die Gehälter der Kassenchefs. In der Schweiz ist das nicht anders: Während die Kassen hierzulande jeden Frühling ihre Pflichtangaben im Bundesanzeiger veröffentlichen, erscheint in der Schweiz jährlich eine viel beachtete Studie zu den Gehältern der Kassenchefs und sorgt für Erregung. Die könnte jetzt erstmals Folgen haben: Die regierenden Sozialdemokraten wollen die Gehälter deckeln – ein Kassenchef soll nicht mehr verdienen dürfen als ein Minister. Die konservative Partei zeigt sich offen für den Vorschlag.
Auf ihre Schweizer Kollegen könnten die deutschen Kassenchefs wohl neidisch sein: Ihr Salär liegt in der Spitze mehr als doppelt so hoch – bei einem Bruchteil der Versichertenzahlen. Am besten entlohnt wird in der Eidgenossenschaft Daniel Schmutz. Der 53-Jährige verdient als Geschäftsführer des Krankenversicherers Helsana 810.100 Schweizer Franken (741.000 Euro) im Jahr – mehr als doppelt so viel wie der deutsche Bestverdiener Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK). Baas erhielt vergangenes Jahr 333.716 Euro. Zum Vergleich: Die TK hat 10,4 Millionen Versicherte, Helsana 1,9 Millionen.
Auf den Plätzen 2 und 3 sind die Abstände zwischen Deutschland und der Schweiz genauso groß: CSS-Chefin Philomena Colatrella erhielt vergangenes Jahr 766.565 Schweizer Franken (701.704 Euro), Barmer-Chef Christoph Straub bekam 297.512 Euro. Die CSS hat rund 1,7 Millionen Versicherte, die Barmer rund 9 Millionen. Kurz hinter Colatrella folgt Assura-Chef Ruedi Bodenmann mit 758.271 Franken (693.863 Euro). DAK-Chef Andreas Strom erhielt 284.000 Euro. Assura hat rund 1,1 Millionen Versicherte, die DAK Gesundheit knapp 5,7 Millionen.
Besonders erregt in der Schweiz die wachsende Schere zwischen den wirtschaftlichen Kennzahlen und dem Lohnzuwachs der Kassenchefs: Denn während die Zahl der Beitragszahler in den vergangenen fünf Jahren um 6 Prozent und die Gesundheitskosten um 14 Prozent gestiegen sind, konnten sich die Chefs der zehn größten Krankenkassen über eine Lohnsteigerung von durchschnittlich 22 Prozent freuen. Insbesondere für die Assura-Chefs hat sich das gelohnt: 68,5 Prozent betrug die Zunahme. Die Kassen wenden jedoch gegen die von den Sozialdemokraten finanzierte Studie ein, dass seit vergangenem Jahr Vorsorgeleistungen und Spesen mit in den Lohn eingerechnet werden müssen. Die reale Lohnsteigerung sei weit geringer.
Das ist aber ohnehin nur ein Nebenschauplatz, erwidern die Sozialdemokraten. Denn das wahre Problem sei die schlichte Höhe der Löhne. „Das ist nicht zu rechtfertigen für Unternehmen, die von Prämiengeldern leben“, zitiert das Schweizer Tagblatt SP-Sprecher Michael Sorg. Zum Vergleich ziehen Kritiker die Gehälter von Spitzenpolitikern heran: So verdient ein Bundesrat – Pendant zum deutschen Bundesminister – jährlich 451.000 Franken (412.000 Euro). Selbst Platz 10 der bestverdienenden Kassenchefs kriegt noch mehr. In Deutschland sieht es da ähnlich aus: Ein Bundesminister erhält hierzulande ein Amtsgehalt von knapp 250.000 Euro im Jahr.
SP-Gesundheitspolitikerin und Parteipräsidiumsmitglied Barbara Gysi spricht von „Hohn und einem Affront gegenüber den Bürgerinnen und Bürger, die jeden Monat Mühe haben, die immer höhere Prämien zu bezahlen“, während ihre Reallöhne stagnierten oder sogar rückläufig seien. „Während die Leute also immer weniger Geld im Sack haben, schanzen die Kassen ihren Chefs immer höhere Löhne zu. Das ist unerträglich und muss gestoppt werden“, so die Abgeordnete des Schweizer Nationalrats. Ihre Partei werde deshalb noch im September eine Motion, also einen parlamentarischen Vorstoß zu einer Gesetzesänderung, einbringen, in der die Deckelung der Kassenchefs auf dem Niveau von Bundesräten festgeschrieben wird. Das Gehalt von Helsana-Chef Schmutz würde sich damit beinahe halbieren. Ähnliche Vorstöße gab es auch hierzulande schon – ohne dass sie greifbare Resultate hervorgebracht hätten.
Es ist nicht das erste Mal, dass die SP – die mit Alain Berset vergangenes Jahr den Bundespräsidenten stellte – die Gehälter der Kassenchefs senken will. Bisher stieß sie dabei aber immer auf den Widerstand der konservativen Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) und der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP). Das scheint sich jetzt zu ändern. „Aus Sicht der obligatorischen Krankenversicherung sind solche Löhne zu hoch“, stimmte der CVP-Vorsitzende Gerhard Pfister in die Kritik ein. In der Herbstsession des Parlaments vom 9. bis 27. September dürfte es deshalb eine offene Debatte zu dem Thema geben. SP-Politikerin Gysi reicht ihren Koalitionspartnern deshalb schon einmal die Hand: „Auch die bürgerlichen Parteien, gerade auch die SVP, müssten doch ein Interesse haben, hier einzugreifen. Denn die Cheflöhne und die Mentalität dahinter gehören zu den Faktoren, die die Prämien in die Höhe treiben.“
APOTHEKE ADHOC Debatte