Gericht braucht Apotheken-Nachhilfe Patrick Hollstein, 08.12.2015 14:05 Uhr
Bereits zum dritten Mal muss sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit der österreichischen Bedarfsplanung für Apotheken auseinandersetzen. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (VG) schickte Ende November ein Vorabentscheidungsersuchen nach Luxemburg. Bei der vorherigen Runde hatten die Richter schlichtweg vergessen, die entscheidende Frage zu stellen.
Das Gericht will vom EuGH konkret wissen, wie mit den Regeln zur Bedarfsplanung umzugehen ist. Im Februar 2014 hatten die Richter in Luxemburg entschieden, dass eine starre Existenzsicherungsschwelle für die umliegenden Apotheken, wie sie das österreichische Recht vorsieht, nicht in Einklang mit dem Unionsrecht zu bringen ist. Es müsse Ausnahmeregelungen geben, die ein Abweichen erlaubten.
Weil sich der Gesetzgeber in Wien bislang nicht mit dem Richterspruch auseinander gesetzt hat, liegt die Auslegung derzeit im Einzelfall bei den Behörden und im Zweifelsfall bei den Gerichten. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) als oberste Instanz hat seit dem EuGH-Urteil in zehn Fällen zur Bedarfsplanung entschieden – ohne Ausnahmeregelungen in Erwägung gezogen zu haben.
Das VG war damit nicht einverstanden und hatte beim EuGH nachgefragt, ob es von der Auffassung der höheren Instanz abweichen könne, wenn es die Entscheidungen für nicht vereinbar mit Gemeinschaftsrecht halte? Ja, lautete die Antwort aus Luxemburg. Ein nationales Gericht könne nicht nach einer nationalen Vorschrift an die rechtliche Beurteilung eines übergeordneten nationalen Gerichts gebunden sein, wenn diese mit dem Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren sei.
Zur Sache selbst äußerte der EuGH sich nicht – schlichtweg weil er vom VG dazu nicht befragt wurde. Daher haken die Richter in Linz nun noch einmal nach: Sind die Regelungen zur Bedarfsplanung komplett außer Kraft gesetzt, solange der Gesetzgeber keine unionskonforme Regelung gefunden hat? Und wenn nicht: Müssen die Kriterien grundsätzlich hinterfragt werden oder nur in Regionen mit bestimmten geografischen Besonderheiten, beispielsweise dünn besiedelten ländlichen Gebieten. Der VGH hatte Ausnahmen für alle Fälle abgelehnt, in denen es keine Anhaltspunkte für eine Verbesserung der Versorgung einer „in ländlichen und abgelegenen Gebieten wohnhaften Bevölkerung“ gebe.
Im Gesundheitsministerium liegt bereits ein Vorschlag, wie die Bedarfsplanung novelliert werden könnte. Da aber in dem Zug auch andere, teilweise umstrittene Themen abgearbeitet werden sollen, gibt es noch keinen Zeitplan. Laut einem Bericht der Wiener Zeitung hatte das Ministerium aber bereits im Mai 2014 per Erlass gegenüber den Bezirksverwaltungsbehörden klargestellt, wie mit dem EuGH-Urteil umzugehen ist. Bei der Vergabe von Apothekenkonzessionen sei von der starren Personenzahl von 5500 im Einzelfall abzusehen, „wenn es örtliche Besonderheiten im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum dringend gebieten“.
In Österreich darf nach wie vor eine Apotheke nur dann eröffnet werden, wenn es einen Bedarf gibt. Dieser wird unter anderem dadurch definiert, dass die Zahl der Kunden der bereits bestehenden Apotheken in der Umgebung nicht unter 5500 Personen sinkt. Außerdem muss der Abstand zur nächsten Apotheke mindestens 500 Meter betragen. Schließlich darf es keine ärztliche Hausapotheke in der Gemeinde geben, sofern nicht mindestens zwei Allgemeinmediziner am Ort praktizieren.