EU-Generalanwalt

Fremdbesitzverbot gilt trotz Fremdbesitz Patrick Hollstein, 17.06.2010 19:32 Uhr

Berlin - 

Beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) scheint man sich nicht länger mit Fremdbesitzverboten im Gesundheitswesen beschäftigen zu wollen. In seinen Schlussanträgen zum Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Frankreich befand Generalanwalt Paolo Mengozzi, dass Besitzbeschränkungen für biomedizinische Labore nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen - auch dann nicht, wenn sie durch grenzüberschreitende Firmenkonstruktionen ausgehebelt werden können.

In Frankreich dürfen medizinische Untersuchungslabore nur durch „klinische Biologen“ betrieben werden - das sind entweder Pharmazeuten oder Mediziner. Alleine rund 8000 Apotheker tragen diese Berufsbezeichung. Kein „Biologe“ darf Anteile an mehr als zwei Laboren halten; Kapitalgesellschaften dürfen maximal 25 Prozent an den Gesellschaften besitzen.

Allerdings können Biologen auch juristische Personen sein, also Firmen, die von Berufsangehörigen gegründet und dann als solche behandelt werden. Bemerkenswerterweise sehen die Bestimmungen vor, dass auch ausländische Biologen in Form einer juristischen Person in Frankreich Labore betreiben können. Gibt es in einem Land kein Fremdbesitzverbot, können also berufsfremde Kapitalgesellschaften in Frankreich als Biologen und damit als Mehrheitsbesitzer anerkannt werden.

Auf diese vermeintliche Inkohärenz hatte die EU-Kommission hingewiesen und entsprechende Beispiele präsentiert: Biomnis-Labore befinden sich demnach zur Hälfte in Besitz eines „Biologen in Form einer irischen juristischen Person“, die wiederum mehrheitlich einem Investmentfonds gehört. Unilabs sei eine schweizerische Gesellschaft im Besitz von Nichtbiologen, die einige Gesellschaften mit Laboren in Spanien verwalte, die wiederum Labore in Frankreich verwalteten.

Die französische Regierung hatte zugegeben, dass auf diese Weise das Gesetz umgangen werden könne. Da man jedoch aufgrund von Gemeinschaftsrecht ausländischen Firmen den Zugang zum Markt nicht verwehren könne, sei die „umgekehrte Diskriminierung“ unvermeidbar und Frankreich nicht vorzuwerfen.

Dieser Argumentation folgte der Generalanwalt: Es handele sich um „Situationen, bei denen ein anderes Verhalten des beklagten Mitgliedstaats zu einer Diskriminierung und auf jeden Fall zu einer Verletzung der Grundfreiheiten des Vertrags, insbesondere der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, hätte führen können“, so Mengozzi. Es könne daher nicht als Inkohärenz betrachtet werden, wenn die französischen Behörden Gesellschaften, die die erforderliche Qualifikation als Biologe aufweisen, unabhängig von den Besitzverhältnissen den Betrieb von Laboren für biomedizinische Analysen gestatte.

Abgesehen von derartigen unternehmensrechtlichen Finessen erklärte der Generalanwalt das französische Fremdbesitzverbot für vereinbar mit Gemeinschaftsrecht, da es dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung diene. Mengozzi sah mehr Parallelen zum Fremdbesitzverbot für Apotheken als zu dem von der Kommission herangezogenen Optikerurteil. Dagegen könnte das Mehrbesitzverbot aufgrund von offensichtlichen Versäumnissen der französischen Regierung innerhalb des Verfahrens fallen.