Frankreich: Antibiotikum ohne Rezept Nadine Tröbitscher, 10.07.2024 08:00 Uhr
Frankreichs Apotheker:innen dürfen ausgewählte Antibiotika zur Behandlung einer Streptokokken-Angina sowie einer akuten unkomplizierten Zystitis ohne Rezept abgeben. Voraussetzung ist, dass die Approbierten einen schnellen diagnostischen Orientierungstest (TROD) durchgeführt haben. Die Leistung wird zudem vergütet.
Apotheker:innen in Frankreich dürfen einige Antibiotika ohne Verordnung abgeben und werden dafür honoriert. Grundlage ist eine Verordnung vom 17. Juni zur Festlegung der Bedingungen für die Abgabe von Arzneimitteln ohne Rezept nach Durchführung eines Schnelldiagnosetests. Gemäß Artikel 4 dürfen Apotheker:innen zwei Tests durchführen, die zur Antibiotikaabgabe ermächtigen:
- Oro-Schnelltest für Streptokokken der Gruppe A (pharyngeale, Kehle)
- Urintest auf mindestens Nitriturie und Leukozyturie
Bei positivem Testergebnis berechtigt der Oro-Schnelltest zur Abgabe eines Antibiotikums zur Behandlung von durch Streptokokken der Gruppe A verursachten bakteriellen Angina pectoris. Ein positiver Urintest erlaubt die antibiotische Behandlung der akuten unkomplizierten Zystitis bei Frauen.
Akute unkomplizierte Zystitis
Apotheker:innen dürfen Fosfomycin-Trometamol oder Pivmecillinam im Falle einer aktuten unkomplizierten Blasenentzündung – die kürzlich begonnen hat und von Brennen beim Wasserlassen bestimmt ist – abgeben, es sei denn die Frauen haben Fieber oder weisen Symptome einer Pyelonephritis auf. Weitere Ausschlusskriterien sind:
- männliches Geschlecht
- Alter < 16 Jahre oder > 65 Jahre;
- Schwangerschaft nachgewiesen oder nicht ausgeschlossen;
- gynäkologische Warnzeichen: Leukorrhoe, Vulva- oder Vaginaljucken;
- wiederkehrende Zystitis: > oder = drei Episoden in den letzten zwölf Monaten;
- Blasenentzündung, die in den letzten 15 Tagen nicht vollständig abgeklungen ist;
- schwere Niereninsuffizienz
- bestehende Antibiotikatherapie
- Einnahme von Fluorchinolonen in den letzten drei Monaten Streptokokken-Angina
Streptokokken-Angina
Kommen Personen mit Halsschmerzen in die Apotheke, dürfen in zwei Fällen Antibiotika ohne Rezept abgegeben werden. Vorstellbar sind zwei Szenarien:
- Patient:in kommt aus der Arztpraxis und wird an die Apotheke zur Durchführung eines oropharyngealen Schnelltests überwiesen
- Patient:in stellt sich spontan, ohne vorherige ärztliche Beratung, in der Apotheke vor und wird ab dem zehnten Lebensjahr direkt von der Apotheke betreut.
Ein Antibiotikum darf nicht abgegeben werden, wenn:
- Patient:in unter zehn Jahren;
- Hautausschlag bei einem Kind (unter 15 Jahren);
- Symptome bestehen länger als acht Tage
- Rückkehr von einer Reise aus einem tropischen Land innerhalb von zwei bis fünf Tagen und fehlende Impfung gegen Diphtherie;
- Schwangerschaft nachgewiesen oder nicht ausgeschlossen;
- Immunsuppression oder Risiko einer Immunsuppression aufgrund einer Pathologie (HIV) oder eines Medikaments (Langzeittherapie mit Kortikosteroiden, Immunsuppressiva, Chemotherapie, Carbimazol, Methimazol oder Derivate, die bei Hyperthyreose verschrieben werden);
- schwere Niereninsuffizienz
- bestehende Antibiotikatherapie
- Patient:in wurde sechs Monate lang zum dritten Mal wegen Odynophagie von einem Apotheker untersucht, ohne seinen behandelnden Arzt aufgesucht zu haben
- Kontraindikation gegen Amoxicillin, Cefuroxim, Cefpodoxim, Azithromycin, Clarithromycin und Josamycin
Ist der Streptokokken-Schnelltest bei Erwachsenen positiv, können Antibiotika mit Amoxicillin, Cefuroxim (in Form von Cefuroximaxetil), Cefpodoxim, Azithromycin, Clarithromycin und Josamycin abgegeben werden. Für Kinder ab einem Alter von drei Jahren kommen Amoxicillin, Cefpodoxim-Proxetil, Azithromycin, Clarithromycin oder Josamycin infrage.
Voraussetzungen
Apotheker:innen müssen vorab praktische und theoretische Schulungen absolviert haben. Außerdem müssen geeignete Räumlichkeiten – Beratungsraum, Toilette mit Waschbecken – zur Verfügung stehen. Auch die geeignete Ausrüstung muss vorrätig sein – neben den Test: Thermometer, Waage, Stoppuhr und Blutdruckmessgerät.
Vergütung
Die Abgabe des Antibiotikums wird in der elektronischen Patientenakte vermerkt und Apotheker für die Leistung vergütet: 10 Euro für die Durchführung des Tests; auch wenn kein Arzneimittel abgegeben wird und 15 Euro bei Abgabe des Antibiotikums.
Notfallparagraph in Österreich
Auch in anderen Ländern haben die Apotheken gewisse Freiheiten. In Österreich etwa erlaubt der sogenannte Notfallparagraph die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne Rezept. Grundlage ist § 4 Rezeptpflichtgesetz: „Der Apotheker ist berechtigt, in besonderen Notfällen Arzneimittel auch ohne Vorliegen eines Rezeptes abzugeben; jedoch nur in der kleinsten im Handel erhältlichen Packung.“