Der Lieferant als Feind: In Finnland wird über eine Liberalisierung des Apothekenmarktes gesprochen, die Regierung prüft alle Optionen. Der Großhändler Oriola prescht vor und eröffnet gemeinsam mit der Supermarktkette Kesko die ersten Geschäfte.
In Finnland gibt es rund 620 Apotheken mit 200 Filialen; der Durchschnittsumsatz liegt bei zwei Millionen Euro. Fremdbesitz ist nicht zugelassen, der Mehrbesitz auf drei Filialen beschränkt. Stattdessen gibt es eine strikte Bedarfsplanung: Wer sich als Apotheker selbstständig machen will, muss zunächst für einige Jahre in entlegenen Regionen am Polarkreis die Versorgung sichern, bevor er einen attraktiveren Standort zugewiesen bekommt.
Diese Regelungen stehen nun auf dem Prüfstand. Im Februar richteten die Regierungsparteien eine Arbeitsgruppe ein mit dem Auftrag zu prüfen, wie weitreichend eine Liberalisierung sein könnte. Noch ist nichts entschieden.
Wie eine Bombe platzte daher die Ankündigung des Großhändlers Oriola herein, gemeinsam mit der Supermarktkette Kesko ein Netz an Geschäften rund um das Thema Gesundheit, Schönheit und Wohlbefinden aufzuziehen. Weiß da jemand bereits, wie die Sache ausgehen wird?
Kesko bringt exponierte Standorte mit in die Ehe, alleine in Finnland gibt es knapp 2000 Geschäfte. Oriola soll die Kompetenz rund um den Vertrieb von Arzneimittel beisteuern. Auch im Einzelhandel hat der Konzern Erfahrung: In Schweden hat die Tochterfirma Kronans Droghandel (KD) die Liberalisierung des Jahres 2009 genutzt, um eine der beiden führenden Apothekenketten des Landes aufzuziehen.
25 Millionen Euro wollen die Partner zunächst investieren, noch in diesem Jahr sollen 15 Geschäfte eröffnen. Insgesamt sind im ersten Schritt rund 100 Filialen geplant. Auch einen hauseigenen Webshop soll es geben; seit 2011 ist in Finnland auch der Versandhandel von OTC-Medikamenten erlaubt.
Die Partner machen kein Geheimnis daraus, dass sie sich mit ihrer Kette für die Liberalisierung wappnen. „Unser Plan ist es, das Geschäft auf Arzneimittel auszuweiten, sobald die Gesetzgebung das zulässt“, so Eero Hautaniemi, CEO von Oriola-KD. Dabei wolle man – ohne Abstriche bei der Arzneimittelsicherheit – mit Service und Kompetenz punkten.
Dass der Konzern sich einen solchen Affront leisten kann, hat mit der Struktur des Großhandelsmarktes zu tun: In Finnland gibt es nur zwei Anbieter: Oriola und die Phoenix-Tochter Tamro. Die Großhändler vertreiben jeweils exklusiv die kompletten Sortimente bestimmter Hersteller (Einkanal-Vertrieb) und beliefern folglich alle Apotheken.
Trotzdem sah sich Oriola veranlasst, den Außendienst in die Apotheken zu schicken und die Bereitschaft zur weiteren Zusammenarbeit abzufragen. Immerhin hatte sich Hautaniemi gegenüber der Wirtschaftszeitung Kauppalehti zu der Aussage hinreißen lassen, die Produkte günstiger anzubieten als die Apotheken. Wenn die Wette auf die Liberalisierung nicht aufgeht, hat der Konzernchef ohnehin ein Problem.
Die finnischen Apotheker kennen sich bereits mit ungleichen Wettbewerbsbedingungen aus: Mit Yliopiston Apteekki („Universitätsapotheke“) hat die Universität Helsinki eine Kette mit rund einem Dutzend Apotheken aufgezogen. Aus dem ursprünglichen Ausbildungsbetrieb ist längst ein florierendes Wirtschaftsunternehmen geworden – unter anderem, weil das Unternehmen jederzeit Filialen darf, solange die Höchstzahl von 16 Betriebsstätten nicht überschritten wird. Vor einem Jahr wurde ein Kosmetikgeschäft eröffnet, in dem apothekenexklusive Marken zum Vorzugspreis angeboten werden.
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