Während hierzulande die Regierung verfassungsrechtliche Bedenken gegen
ein Pick-up-Verbot geltend macht, kommen aus Luxemburg ermutigende
Signale: Nils Wahl, Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH),
kommt in seinen Schlussanträgen zu einem Vorlageverfahren aus Italien zu
dem Schluss, dass Regierungen viel Ermessensspielraum haben, um ein
Unterlaufen der Apothekenpflicht zu verhindern.
Im konkreten Fall ging es um den Verkauf von rezeptpflichtigen Arzneimitteln in den sogenannten Parafarmacie. Drei Apothekerinnen, die solche OTC-Shops in Mailand betreiben, hatten gegen eine Regelung geklagt, nach der Rx-Medikamente aus der Liste C – anders als OTC-Medikamente aus derselben Kategorie – nach wie vor nur in Apotheken verkauft werden dürfen.
Anders als im Verfahren um die spanische Bedarfsplanung geht es in dem Prozess also nicht um die Niederlassungsfreiheit im Sinne der Neueröffnung von Verkaufsstellen, sondern um die Sortimentsgestaltung.
Laut Generalanwalt sind Apotheken in Italien mit der Erbringung einer öffentlichen Dienstleistung betraut und unterliegen deshalb verschiedenen Sonderpflichten sowie gewissen Beschränkungen bei der Ausübung ihrer geschäftlichen Tätigkeit. „Ganz offenkundig würde die vom italienischen Gesetzgeber für Apotheken geschaffene Sonderregelung zumindest teilweise unterlaufen, wenn es erlaubt wäre, in Verkaufsstellen anderer Art Arzneimittel anzubieten, deren Verkauf derzeit Apotheken vorbehalten ist“, so Wahl.
Auf das Gefährdungspotential für die Verbraucher geht der Generalanwalt nicht ein: Schließlich gehe es ausschließlich um verschreibungspflichtige Arzneimittel, so dass „Nachfrage und Angebot feststehen“. Ebenso wenig wie der Schutz der Bevölkerung spielt der Schutz der Sozialversicherung eine Rolle, da alle Arzneimittel der Liste C nicht erstattungsfähig seien und damit vom Verbraucher selbst bezahlt werden müssten.
Vielmehr dient die Apothekenpflicht laut Wahl in diesem Fall dem berechtigten Schutz der Apotheken: Durch die besonderen Pflichten und Beschränkungen entstünden diesen nämlich erhebliche Mehrkosten. „Es ist nicht auszuschließen, dass bei einer weitgehenden Aufhebung ihrer Monopolstellung für Arzneimittel einige dieser Apotheken in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet werden, da sie kein ausreichendes Einkommen mehr erzielen.“ So könne die Ausweitung des Sortiments in den Parafarmacie dazu führen, dass Apotheken „erhebliche Einnahmequellen“ verlieren.
Die italienische Regierung – die in den Schlussanträgen übrigens für ihre schludrige Stellungnahme harsche Kritik einstecken muss – habe mit der Bedarfsplanung aber gerade ein System geschaffen, das dazu dienen solle, „ein in geografischer und zeitlicher Hinsicht sicheres Angebot an pharmazeutischen Dienstleistungen zu gewährleisten und ein Einzugsgebiet für Apotheker zu schaffen, um ein Verschwinden örtlicher Apotheken zu verhindern, was sich wiederum negativ auf eine ausgewogene Verteilung von Apotheken im gesamten nationalen Staatsgebiet auswirken würde“.
„Die Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen parapharmazeutische Verkaufsstellen der Vertrieb von in andere Klassen eingestuften Arzneimitteln gestattet werden könnte, ohne dadurch das vom italienischen Gesetzgeber geschaffene System der geografischen Verteilung von Apotheken zu gefährden, ist eindeutig nicht Sache des Gerichtshofs“, so Wahl.
Der Generalanwalt erinnert noch einmal daran, dass die Mitgliedstaaten bei der Gesundheitsversorgung weiten Ermessensspielraum haben und Schmutzmaßnahmen schon dann treffen können, wenn „eine Ungewissheit hinsichtlich des Vorliegens oder der Bedeutung der Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung bleibt“ – „ohne warten zu müssen, bis der Beweis für das tatsächliche Bestehen dieser Gefahren vollständig erbracht ist“.
„Bei ungewisser Sachlage kann der Mitgliedstaat also Regelungen treffen, die geeignet sind, der Gefahr, dass in einigen Teilen seines Hoheitsgebiets Apothekenmangel herrscht und folglich nicht überall eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung gegeben ist, zu begegnen oder sie auf ein Minimum zu reduzieren.“ Mit der Garantie, dass alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel nur von Apotheken angeboten werden dürfen, solle offenbar genau dieser Gefahr begegnet werden, so Wahl.
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