EU-Gipfel soll über Apotheken reden Benjamin Rohrer, 15.02.2012 11:50 Uhr
Gleich zwei Gesetze zur Liberalisierung des Apothekenmarktes hat der neue italienische Ministerpräsident Mario Monti in seinen ersten Monaten im Amt erlassen. Der EU-Kommission geht dies offenbar nicht weit genug: Der Tageszeitung „La Repubblica“ zufolge empfiehlt Brüssel der italienischen Regierung weitere deregulierende Schritte, auch im Apothekenmarkt.
Der Brief wurde an alle Mitgliedstaaten zur Vorbereitung auf den EU-Gipfel am 20. Februar geschickt: An diesem Tag wollen die Staatschefs unter anderem die von der italienischen Technokraten-Regierung verabschiedeten Sparpakete diskutieren. Mit seinen Reformen habe Monti „Entschlossenheit“ bewiesen. Andererseits hätte man unter anderem im Bereich der Apotheken durch „ambitioniertere Reformen“ mehr Wettbewerb schaffen können, zitiert „La Repubblica“ aus dem Schreiben.
Im zweiten Spargesetz hatte Monti unter anderem die Bedarfsplanung gelockert und eine Sonderausschreibung für 5000 neue Apotheken festgelegt – laut Apothekerverband könnten so insgesamt mehr als 8000 neue Apotheken entstehen. Die Entscheidung, die Apothekenzahl um 12 Prozent zu erhöhen, begrüßt Brüssel grundsätzlich: „Diese Maßnahme heißen wir willkommen.“ Allerdings empfiehlt die Kommission eine weitere Lockerung der Niederlassungsbeschränkungen, um den Wettbewerb zu erhöhen und somit die Preise für den Verbraucher zu senken.
Mit dem ersten Sparpaket hatte die Regierung noch im vergangenen Jahr festgelegt, dass ein Teil der Medikamentenliste „Fascia C“ aus der Apothekenpflicht entlassen wird: Hunderte nicht erstattungspflichtige Arzneimittel könnten bald in OTC-Shops (Parafarmacie) verkauft werden. Kurz vor der Verabschiedung des Gesetzes im Parlament hatte die Regierung den Plan aufgegeben, auch verschreibungspflichtige Arzneimittel zu entlassen. Für diese Entscheidung erntet Italien nun Kritik aus Brüssel: Der Verkauf von Arzneimitteln der „Fascia C“ sei weiterhin sehr eingeschränkt. „Die Möglichkeiten der Parafarmacie müssten ausgeweitet werden“, zitiert die Tageszeitung aus dem EU-Schreiben.
Die EU-Kommission versucht, den Brief herunterzuspielen. Schließlich hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Behörde wegen ihrer Vertragsverletzungsverfahren in Sachen Apotheken im Mai 2009 auf die Finger geklopft. Es handele sich nicht um ein offizielles Schreiben der Kommission an Italien, sagt eine Sprecherin. „Im Rahmen unserer Überwachungsfunktion, die uns vom EU-Gipfel zugesprochen wurde, tauschen wir uns auf einem technischen Level mit unseren Mitgliedsstaaten aus.“ Auch der zitierte „kurze, technische Brief hat lediglich einen technischen Hintergrund, um sich mit Italien auf technischer Ebene auszutauschen“, so die Sprecherin.
Das zweite Liberalisierungsgesetz befindet sich derzeit noch in der parlamentarischen Debatte: Mehr als 180 Änderungsanträge wurden allein für die Regelungen zum Apothekenmarkt eingebracht. Erneut ist es die konservative Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, die die Liberalisierungen rückgängig machen will.