Das e-Rezept in Europa Benjamin Rohrer, 06.02.2013 14:50 Uhr
In allen 737 Apotheken Norwegens werden seit dieser Woche elektronische Rezepte akzeptiert. In Europa ist Norwegen damit eines der ersten Länder, in denen die digitale Übermittlung von Arzneimittelverordnungen flächendeckend möglich ist. In den meisten Ländern gab es Vorstöße des Gesetzgebers, die aber bislang über Pilotprojekte nicht hinaus kamen. Oft gab es Bedenken hinsichtlich der Datensicherheit, technische Hürden oder organisatorische Probleme.
Seit 2010 wurde das Verschreibungssystem in Norwegen schrittweise umgestellt. Bis 2015 sollen auch weiterhin Papierrezepte verwendet werden dürfen. Das norwegische Gesundheitsministerium will mit dem neuen System Rezeptfälschungen drastisch drosseln.
Das Thema Datensicherheit war den Norwegern wichtig: Beim Arztbesuch soll der Mediziner auf einem zentralen Server eine Patientenakte erstellen, in die die Rezepte eingestellt werden. Sowohl der Apotheker als auch der Patient können mit persönlichen Schlüsseln auf die Akten zugreifen. Patienten können ihre Ärzte um die Verschlüsselung aller Informationen bitten, so dass der Apotheker die Einwilligung des Patienten braucht, um die Akte zu öffnen.
In Deutschland und Österreich hingegen behindern datenschutzrechtliche Bedenken das Fortkommen des e-Rezeptes. In der Alpenrepublik soll zwar eine elektronische Patientenakte (ELGA) eingeführt werden. Insbesondere die Ärzte kritisieren aber die Sicherheit der Datenübertragung. Verschrieben werden soll daher weiterhin auf dem Papier. Ähnliches kennt man aus Deutschland: Pläne, nach denen Rezepte auf der neuen elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gespeichert werden sollten, wurden wieder verworfen.
Dem europäischen Apothekerverband PGEU zufolge ist das e-Rezept neben Norwegen auch in Schweden, Estland und den Niederlanden nahezu zu 100 Prozent etabliert. In Schweden wurde das System mit der Liberalisierung im Jahre 2009 letztmalig umgestellt: Das Softwaresystem der ehemaligen Staatskette Apoteket wurde auf eine staatliche Firma übertragen, die einen nationalen Server für Rezepte zur Verfügung stellt. Alle Apotheken des Landes müssen sich daran anschließen.
In Dänemark werden sowohl Papier- als auch e-Rezepte akzeptiert, 80 Prozent aller Verschreibungen werden aber elektronisch abgewickelt. Interessant ist auch das Vorgehen in Kroatien: Dort stellte die Regierung das Verschreibungssystem von einen Tag auf den anderen per Gesetz um. Der Wechsel soll gut abgelaufen sein.
In Belgien, Irland, Portugal und Finland laufen Pilotprojekte für das e-Rezept. Das portugiesische Modell wurde schon vor sechs Jahren in einer Region im Süden des Landes für ein Jahr getestet, bis heute liegt allerdings kein Evaluationsbericht vor. In Finland hätte das e-Rezept im April des vergangenen Jahres nach der Projektphase auf nationaler Ebene ausgerollt werden sollen, es geht aber schleppend voran. Unter anderem gibt es dort mit der Verbindung der vielen unterschiedlichen IT-Systeme Probleme.
In einigen Fällen steht sich der Gesetzgeber auch selbst im Weg: In Italien wurde die Umstellung vor einigen Jahren von der Regierung beschlossen. Bis Ende 2012 sollte nur noch elektronisch verschrieben werden. Weil die Regionen unterschiedliche technische Abrechnungsverfahren mit den Gesundheitsdiensten verwenden, ist das e-Rezept bislang nur auf lokaler Ebene getestet worden. Auch in Tschechien hätte das e-Rezept laut Gesetz eingeführt werden müssen, bislang ist dies aber nicht geschehen.
Ebenso gibt es in Frankreich ein Gesetz, dass die Umstellung auf elektronische Systeme vorsieht. Laut PGEU gibt es jedoch ein anderes Gesetz, dass ärztliche Verschreibungen explizit auf Papierform vorgibt.
Um die Korruption im Gesundheitswesen einzudämmen, sollte auch Griechenland e-Rezepte bekommen. So hatte es die Regierung jedenfalls auf Druck der Troika und EU im Sommer beschlossen. Bei der Umsetzung gibt es jedoch massenhaft technische Probleme: In einigen Teilen des Landes sind die Apotheken nicht einmal ans Internet angeschlossen.