Die Watschn hat gesessen. Die Drogeriekette dm wollte in Österreich mal eben so im Vorbeigehen weite Teile des Apotheken- und Arzneimittelrechts umstoßen. Doch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bügelte das Ansinnen ab: Zu unkonret, zu lustlos war der Antrag formuliert. Es ist die zweite Niederlage der Drogeriekette, die mit Pauken und Trompeten in die Schlacht gezogen war.
Nicht weniger das ganze Arzneimittelgesetz (AMG) sollte der VFGH außer Kraft setzen, dazu einen Paragrafen des Apothekengesetzes (ApG) und einen Artikel der Apothekenbetriebsordnung sowie verschiedene andere Vorschriften. Soviel Dreistigkeit überraschte nicht nur die österreichische Regierung, die den Antrag als viel zu pauschal formuliert zurückwies. Auch die Richter waren perplex.
Bei Verfassungsbeschwerden sei es Sache des Antragsstellers, die angegriffenen Vorschriften konkret zu benennen und die Kritik zu begründen. Es reiche nicht aus, pauschal „auf die […] dargestellten verfassungsrechtliche Bedenken“ hinzuweisen. Gerade wenn verschiedene Gesetze bekämpft würden, müssten die jeweiligen Bedenken zugeordnet werden, heißt es im Urteil. Jedenfalls könne es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes sein, diese Zuordnung selbst vorzunehmen, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und so das Vorbringen – anstelle der Partei – anhand eigener Überlegungen zu präzisieren.
Damit wäre eigentlich alles gesagt, doch die Richter lassen es sich nicht nehmen, dem Konzern noch einmal das eigene Versagen unter die Nase zu reiben: Zu den geltend gemachten Bedenken ließen sich „so gut wie keine Normzitate“ finden. „Es ist zwar erkennbar, dass der Antrag gegen das System des Apothekenvorbehaltes und das Verbot des Fernabsatzes zielt, allerdings richtet er sich – ebenso erkennbar – nicht insgesamt gegen dieses System, zumal die antragstellende Partei selbst gar nicht anstrebt, etwa im selben Umfang im Arzneiwarenhandel tätig werden zu dürfen wie Apotheken; sie wendet sich vielmehr erkennbar gegen die ihrer Auffassung nach zu eng gefassten Ausnahmen von diesem System.“
So fabuliert dm zwar laut Gericht über Grundrechte, Verhältnismäßigkeit und das Sachlichkeitsgebot, lässt dabei aber stets eine Zuordnung zu konkreten Gesetzesbestimmung vermissen. Das gipfelt darin, dass sogar Bedenken gegen eine Vorschrift betreffende die Berufsbefugnisse von Apothekern angegriffen wird. Diese fällt laut Gericht gar nicht „in die Rechtssphäre der antragstellenden Partei, die gerade keine Apotheke betreibt und daher auch nicht Normadressatin des §5 ApG ist“.
Dass dm derart über das Ziel hinausgeschossen ist, könnte einen einfachen Grund haben: Vor einem Jahr war die Drogeriekette beim selben Gericht gescheitert, weil im Antrag die falschen Paragrafen angegriffen worden war. Nur diese Passagen aufzuheben, würde das Apothekenmonopol nicht beseitigen, entschieden die Verfassungsrichter im Herbst 2016.
Der Konzern will nicht klein bei geben. „Der VfGH hat nicht gegen unseren Antrag geurteilt sondern eine rein formale Entscheidung getroffen“, so die Drogeriekette. „Die weiteren Schritte werden wir in den kommenden Tagen mit unseren Anwälten beraten. Das Anliegen, unseren Kunden rezeptfreie Arzneimittel in Markenqualität zu günstigen Preisen anbieten zu können, werden wir definitiv weiter verfolgen.“
Zwei Verfassungsexperten, die dieses Verfahren begleiteten, seien überrascht von der Argumentation des Gerichtshofs gewesen. Dass die einzelnen Bedenken den jeweils angefochtenen Bestimmungen einzeln zugeordnet werden müssten, sei unüblich. Den beiden Experten sei kein vergleichbarer Fall bekannt, in dem in dieser Form argumentiert worden wäre, so dm.
„Die Verfassungswidrigkeit des Apothekenmonopols liegt klar auf der Hand. Wir können nur spekulieren, warum der VfGH zum jetzigen Zeitpunkt keine Entscheidung in dieser Sache treffen will. Bemerkenswert ist auch, dass der VfGH für die Feststellung der Unzulässigkeit des Antrages wiederum neun Monate gebraucht hat“, so die Reaktion von Professor Dr. Heinz Mayer und Dr. Walter Schwartz.
dm hatte noch versucht, den Fall hilfsweise vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu bekommen. Dies sei nicht einmal im Ansatz begründet, so die Erwiderung der Regierung. dm hatte argumentiert, als multinationaler Konzern immer grenzüberschreitende Sachverhalte vorweisen zu können. Erst im vergangenen Jahr hatte die Regierung das ApG nach einem Urteil aus Luxemburg überarbeitet und ein Abweichen von der Zahl der zu versorgenden Personen „in ländlichen und abgelegenen Regionen auf Grund besonderer örtlicher Verhältnisse“ erlaubt.
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