dm: Apotheker bläst zum Gegenangriff Torsten Bless, 04.11.2017 09:15 Uhr
Auch nach der neuerlichen Niederlage der Drogeriekette dm vor dem österreichischen Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist eine Freigabe von OTC-Medikamenten nicht vollkommen vom Tisch. Die Betreiber einer Apotheke mit angeschlossenem Internetversand rüsten sich für die Zeit danach – mit der Gründung von eigenen Drogeriemärkten.
Im zweiten Anlauf ist dm vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) daran gescheitert, weite Teile des Apotheken- und Arzneimittelrechts umzustoßen. Der Verkauf von OTC-Medikamenten bleibt damit den Apotheken vorbehalten. Doch das Gericht habe nicht gegen den Antrag geurteilt, argumentiert die Drogeriekette. Man berate weitere Schritte mit den Anwälten. „Das Anliegen, unseren Kunden rezeptfreie Arzneimittel in Markenqualität zu günstigen Preisen anbieten zu können, werden wir definitiv weiter verfolgen.“
Doch auch die Konkurrenz steht in den Startlöchern. Unter dem Motto „Marken, Pflege, Gesundheit & mehr – kompromisslos günstig“ eröffnet in ein bis zwei Wochen der erste Mea-Shop im Wiener Ortsteil Ottakring. An weiteren vier Standorten wird bereits gebaut. Sollte die Apothekenpflicht für OTC-Arzneimittel fallen, sollen weitere 20 Geschäfte im Hauptstadtraum entstehen. Hinter dem Konzept stecken Rudolf Mather und Michael Kuhn, Betreiber der Stern-Apotheke und ihrer angeschlossenen Versandapotheke Medistore. Sie haben für die Mea-Drogeriemärkte eine neue Firma gegründet. „Wir reagieren auf die vorhandenen Umstände am Markt. Mit der Gründung von Drogeriemärkten können wir uns breiter aufstellen und bleiben konkurrenzfähig.“
Kuhn ist Apotheker, Mather betreut die kaufmännischen Geschäfte der Unternehmen. In Österreich dürfen Nicht-Pharmazeuten wie Mather bis zu 49 Prozent der Anteile an einer Apotheke halten, unter bestimmten Voraussetzungen sogar bis zu 75 Prozent. Wie hoch sein Anteil an den gemeinsamen Firmen mit Kuhn ist, mag Mather nicht verraten. „Bei Neugründungen ist es heute üblich, dass sich Apotheker Partner reinholen.“ Die Besitzverhältnisse auf dem Markt seien in der Realität ohnehin andere, sagt er: „Fast 50 Prozent der Apotheken in Österreich sind im Besitz des pharmazeutischen Großhandels.“
Nach Freigabe des Versandhandels für Apotheken 2015 gründeten die Partner als Ableger der Stern-Apotheke die Internetapotheke Medistore. Anders als in Deutschland dürfen einheimische Versender keine Werbung machen. „Von im Ausland ansässigen Versandapotheken wie Zur Rose oder die Shop-Apotheke werden wir dagegen bombardiert“, so Mather. Zudem ist es einheimischen Versandapotheken nur erlaubt, „innerhalb Österreichs nur in Österreich zugelassene oder registrierte nicht rezeptpflichtige Humanarzneispezialitäten durch Fernabsatz“ abzugeben, sagt die Fernabsatzverordnung.
„Das sind klare Wettbewerbsnachteile“, sagt Mather. „Die deutschen Ein- und Verkaufspreise sind deutlich günstiger als hierzulande. Wir können aber auf normalem Wege keine Ware nach Österreich importieren, die es in deutschen Apotheken gibt. Es ist uns gesetzlich nicht erlaubt, das billigere Mucosolvan aus Deutschland einzuführen, wir müssen auf die teurere österreichische Version zurückgreifen. Umgekehrt können hiesige Unternehmen ihre Produkte ungehindert nach Deutschland exportieren.“ Die Restriktionen seien ganz im Sinne des Pharmagroßhandels, der in deutscher Hand sei.
Dem könne man nur über den Preis für freiverkäufliche Waren und Drogerieprodukte begegnen. „Hier darf ich auf Lieferanten aus Deutschland, Großbritannien und anderen EU-Ländern zurückgreifen. So versuchen wir, günstiger zu sein als nicht-österreichische Versandhändler. Das kann die Kunden dazu veranlassen, im Land zu kaufen.“ Auch eine kompetente Beratung durch Fachkräfte zählen laut Mathan zu den Pluspunkten. Dafür schaffte Medistore in einem im August veröffentlichten Vergleichstest der Österreichischen Gesellschaft für Verbraucherstudien (ÖGVS) mit elf Mitbewerbern in den Kategorien Kundendienst und Angebotsvielfalt den 1. Platz. Im Gesamtranking kam Medistore knapp auf Platz 2 hinter Apobag ins Ziel.
Obwohl die Versandapotheke wegen des Werbeverbots auf Mund-zu-Mund-Propaganda angewiesen ist, ist man mit den Zahlen zufrieden: „Bis jetzt sind mehr als 100.000 Kunden bei uns registriert, 25.000 von ihnen haben bereits ein- oder mehrmals bei uns bestellt. In fünf Jahren wollen wir hier im Land die Nummer 1 sein.“
Auch die Stern-Apotheke selbst habe mit Beschränkungen zu kämpfen, hier der Apothekenbetriebsordnung: „Der Charakter der Apotheke muss im Vordergrund stehen“ so Mather. Um wirtschaftlich zu bleiben, nutze man den gesteckten Rahmen voll aus. „Wir haben einzelne Bereiche zur Zufriedenheit der Kunden ausgebaut.“
So seien sechs Laufmeter allein für die Zahngesundheit reserviert: „Während normale Apotheken fünf oder sechs verschiedene Zahncremes vorrätig halten, haben wir 150 in unserem Sortiment. Alle Spezialprodukte bieten wir dank unserer Lieferanten beinahe immer günstiger an.“ So könne man auch mit großen Drogerieketten wie dm, Bipa oder Müller locker mithalten.
Das Drogeriemarktkonzept von Mea gebe den Partnern im Freiwahlsortiment alle Möglichkeiten. Und mehr: „Wenn die Rechtsprechung den Weg ebnet, werden wir räumlich in der Lage sein, auch OTC-Medikamente anzubieten.“ Eine große Hoffnung, dass eine neue mögliche neue Regierung aus ÖVP und FPÖ die entsprechenden Gesetze ändert, hat Mather nicht. „Auf die Parteien haben wir noch nie vertraut.“
In der Apothekerkammer werde die wahre Politik gemacht. „Ich setze eher darauf, dass mit der der neuen Führung auch ein neuer Wind weht. Mir scheint, dass da so langsam die Zeichen der Zeit erkannt werden.“ So sei das Mea-Konzept hier auf große Begeisterung gestoßen. „Die Kammer fand es nachahmenswert, aber sie geht natürlich davon aus, dass alles so bleiben wird, wie es jetzt ist.“
Auch eine Ausweitung des Mea-Konzepts über Wien hinaus sei denkbar: Von Kollegen habe es bereits viel positive Resonanz auf erste Medienberichte gegeben. „Uns haben Apotheker und selbstständige Drogerien angesprochen, ob sie als Franchisepartner einsteigen könnten. Das hat uns etwas gewundert“, sagt Mather. Gänzlich abgeneigt seien er und sein Partner Kuhn nicht. „Man kann so etwas andenken, aber das muss man in Ruhe ausarbeiten.“