Seit der Franken freigegeben wurde, wandern Patienten aus der Schweiz verstärkt in die günstigeren deutschen Apotheken ab. Ein regelrechter Einkaufstourismus ist entstanden. Deutsche Apotheker freut das – auf der anderen Seite der Grenze ist die Stimmung gedrückt.
Dr. Daniel Hölzle führt die Avie-Apotheken in den deutschen Grenzstädten Singen und Konstanz. Seit der Franken nicht mehr an den Euro gekoppelt ist, gewann er einige Kunden aus der Schweiz hinzu. „Inzwischen hat sich das aber eingependelt“, sagt Hölzle. Immerhin sei auch der Franken wieder gesunken. Ein Euro entspricht derzeit 1,1 Franken. Im vergangenen Januar war die Währung etwa gleichwertig – bei dramatischen Preis- und Kaufkraftunterschieden.
Es gebe mehr Schweizer Kundschaft in Singen und Konstanz als noch vor zwei Jahren, berichtet Hölzle. Er schätzt, dass etwa ein Fünftel seiner Kunden Eidgenossen sind. Auch Stammkunden habe er so hinzugewonnen. „Der Preis ist das ausschlaggebende Kriterium“, sagt Hölzle: Er ist sich sicher, dass seine Schweizer Kollegen eine ebenso gute Beratung leisten wie er.
Inzwischen habe sich gewissermaßen ein Einkaufstourismus entwickelt, sagt Hölzle. Nicht nur die Schweizer, die an der deutschen Grenze wohnen, kommen in seine Apotheke. Vermehrt kämen auch Kunden aus den entfernteren Gegenden Zug, Zürich und Luzern. „Sie kommen zum Einkaufen und übernachten dafür sogar in Deutschland“, sagt er.
In erster Linie kauften die Schweizer in seinen Apotheken OTC- und Freiwahlprodukte. „Vichy-Cremes sind bei uns beispielsweise günstiger“, sagt Hölzle. Sein Kollege Michael Onczul, Inhaber der Hirsch-Apotheke in Konstanz, bestätigt: „Freiwahlprodukte sind in Deutschland etwa 20 Prozent günstiger als in der Schweiz.“ Onczul schätzt, dass knapp die Hälfte seiner Kundschaft aus der Schweiz kommt. Zum Rohertrag der Apotheke würden sie mehr als 50 Prozent beitragen, vermutet er.
Weniger die Nähe zur Schweiz ist entscheidend, sondern die Lage der Apotheke im Ort zählt. Ein Inhaber, der in einem anderen Ort in Grenznähe eine Apotheke im Zentrum und eine Stadtteil-Apotheke führt, kann gut vergleichen: In seiner Innenstadt-Apotheke seien etwa die Hälfte der Kunden Schweizer, in der Apotheke in Randlage ist nur jeder fünfte ein Eidgenosse. Die Umsatzanteile seien entsprechend, sagt der Pharmazeut, der namentlich nicht genannt werden will.
In die Avie-Apotheken bringen die Eidgenossen auch ihre Rezepte mit. „Die Schweizer sind zu großen Teilen privatversichert“, erklärt Hölzle. Einige Versicherungen akzeptierten es, wenn Rezepte in Deutschland eingelöst würden. Andere Kassen wiederum wollten die eigene Wirtschaft stärken und erstatteten nur Rezepte, die im Land eingelöst würden – auch wenn sie dann mehr zahlen müssten. „Darauf weisen wir die Kunden hin“, so Hölzle.
Dazu kommt: Im angrenzenden Kanton Baselland dürften die Ärzte Medikamente selbst abgeben, erklärt Hölzle. Nicht alle Patienten fragten in den Praxen nach einem Rezept, um ihre Medikamente in der Apotheke zu holen. Dagegen ließen sich die Schweizerinnen Rezepte für die Anti-Baby-Pille ausstellen, die sie dann in Deutschland einlösten, sagt er. „Die Kosten übernimmt die Krankenversicherung nicht und bei uns ist das Präparat günstiger.“
Auf der anderen Seite der Grenze, in Kreuzlingen ist die Stimmung schlecht. Zuzana Arnold, Inhaberin der Stadt-Apotheke, berichtet von einem massiven Kundenschwund. „Seit der Euro so tief ist, hat es sich verschlimmert“, sagt sie. Viele Schweizer würden nicht einmal mehr in ihrer Apotheke Halt machen, sondern direkt nach Konstanz gehen. „Wir können ihnen also nicht einmal mehr zeigen, was wir zu bieten haben“, sagt Arnold. Doch dieses Problem treffe alle Geschäfte in der Stadt.
Aber es gebe weiterhin treue Kunden, die konsequent in der Stadt-Apotheke einkauften. „Wir bieten einige spezielle Produkte an, für die sogar Deutsche zu uns kommen“, sagt Arnold. Dazu zählten etwa Hausspezialitäten wie ein Wunderbalsam und das Produkt Padma 28, eine tibetanische Naturmedizin. „Aber im Bereich der Kosmetikmarken, die es in jeder Apotheke gibt, haben wir verloren.“ Um diese Entwicklung umzukehren, müsste der Euro wieder deutlich im Wert steigen, sagt Arnold.
Außerdem fordert die Inhaberin eine andere Regelung für Ausfuhrscheine: Wenn Schweizer in Deutschland einkaufen, können sie sich derzeit ab dem ersten Cent die deutsche Mehrwertsteuer zurückerstatten lassen. Dazu müssen sie sich vom Geschäft einen Ausfuhrschein geben lassen, den sie vom Zoll abstempeln lassen und beim zweiten Einkauf dort wieder mitbringen. Im Laden werden ihnen die 19 Prozent Mehrwertsteuer ausgezahlt.
Bis zu einem Einkaufswert von 300 Franken muss für deutsche Produkte keine Mehrwertsteuer in der Schweiz gezahlt werden. Arnold fordert, dass ein Mindesteinkaufswert festgelegt wird, ab dem die Mehrwertsteuer erst erstattet werden darf – so wie es in umgekehrter Richtung schon vorgesehen ist.
Ihr Kollege Hanspeter Steiner, Apotheker in der Hard-Apotheke in Biersfelden, konnte keinen Kundenrückgang feststellen. Die Kunden, die auf den Preis achteten, hätten schon vor der Freigabe des Franken in Deutschland gekauft. Seine Kunden hielten ihm weiterhin die Treue. Zudem sei der Franken wieder etwas gefallen. „Inzwischen hat es sich eingependelt”, sagt Steiner.
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