Ärztemangel und volle Warteräume: In Großbritannien sollen nach dem Willen des Gesundheitsministeriums Pharmazeuten in Praxen eingestellt werden, um die Mediziner zu entlasten. In den Städten Hull und York haben drei angestellte Apotheker bereits ärztliche Aufgaben übernommen. Das Ergebnis fällt positiv aus.
Die Städte Hull und York im Nordosten Englands gehören zu den Regionen, in denen kaum noch Nachfolger für Ärzte zu finden sind. 2015 blieb in Hull jede zweite Praktikumsstelle in den Arztpraxen unbesetzt. Den überforderten Medizinern fehlt oft die Zeit für eine ausführliche Betreuung der Patienten.
Die Haxby-Gruppe betreibt in Hull und York insgesamt zehn Praxen: 21 Ärzte betreuen fast 50.000 Patienten. Neue Mediziner einzustellen gestaltete sich als äußerst schwierig – der hohe Arbeitsaufwand strapazierte das Personal. Um diese Probleme anzugehen, verteilte Haxby einige Aufgaben auf die Schultern von Apothekern.
2012 stellte die Praxisgruppe den ersten Apotheker ein, 2015 den zweiten und seit diesem Frühjahr komplettiert ein dritter das Team. In den Haxby-Praxen kümmern sie sich gemeinsam um administrative Aufgaben und das Medikamentenmanagement der Patienten – am Telefon und von Angesicht zu Angesicht.
Durch die Erweiterung des Teams wurde sehr viel Zeit eingespart: Ein Apotheker, der 35 Stunden in der Woche arbeitet, leistet das Pensum eines Arztes in 60 Stunden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Evaluation durch den staatlichen Gesundheitsdienstes NHS.
Seit der Einstellung der Pharmazeuten hat sich laut der Studie der Praxisablauf qualitativ verbessert: Die Apotheker würden schneller und zuverlässiger verschreiben, die Multimedikation konnte reduziert werden. Verabreichungsfehler hätten nicht zugenommen. Aufgrund ihrer Fachkenntnis hätten die Heilberufler ohnehin keine Probleme gehabt, sich schnell in den neuen Aufgabenbereich einzuarbeiten.
Der Bericht mit dem Titel „Reshaping the workforce to deliver the care patients need“ wurde vom NHS in Auftrag gegeben und von der Londoner Organisation Nuffield Trust veröffentlicht. Letztere hat den Auftrag zu untersuchen, wie sich das Personal im NHS neu organisieren lässt, um neue Versorgungswege zu unterstützen.
Der Report kommt zu dem Ergebnis, dass die Erweiterung der Aufgaben und Befugnisse des bestehenden nicht-medizinischen Personals der beste Weg sei, um dem Mangel an Fachkräften entgegenzuwirken und den zukünftigen Anforderungen der Versorgung zu begegnen.
Candace Imison, Mitautorin und Politikdirektorin von Nuffield Trust, urteilte abschließend: „Die Art und Weise zu ändern, wie Menschen arbeiten, ist nicht einfach. Es braucht Fertigkeiten, Mittel und Geduld. Der finanzielle Rahmen macht dieses Unterfangen besonders herausfordernd.“
Im vergangenen Sommer hatte das Gesundheitsministerium angekündigt, im Rahmen des Maßnahmepakets „New Deal“ Fachapotheker für klinische Pharmazie in die Arbeit in Hausarztpraxen zu integrieren. Das Geld soll aus einem Fonds für die medizinische Grundversorgung bereitgestellt werden, der insgesamt eine Milliarde britische Pfund schwer ist. Bis 2020 sollen 5000 Stellen für Apotheker in Hausarztpraxen geschaffen werden – vor allem in ländlichen Gegenden, wo es an Ärzten mangelt oder die vorhandenen Mediziner besonders überfordert sind.
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