Ärzte boykottieren neue Kontrazeptiva APOTHEKE ADHOC, 23.09.2015 09:15 Uhr
Bestimmte Wirkstoffe in Kontrazeptiva werden mit einem höheren Risiko von venösen Thromboembolien assoziiert. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte 2014 für Ärzte einen Rote-Hand-Brief zu kombinierten hormonalen Kontrazeptiva samt Checkliste herausgegeben. In Dänemark rät die zuständige Behörde seit Anfang 2012 gleich ganz von den neuen Substanzen ab – mit Erfolg.
Kontrazeptiva enthalten in der Regel eine Kombination aus Ethinylestradiol und Gestagen; nur die sogenannten Minipillen kommen mit einem Gestagen aus. Die als veraltet geltende 1. Generation beinhaltet als Gestagen-Komponente Norethisteron oder Lynestrenol. 1966 kam die 2. Generation mit Levonorgestrel auf den Markt.
Bei der neueren 3. Generation werden Desogestrel, Gestoden oder Norgestimat eingesetzt. In der 4. Generation werden antiandrogene Wirkstoffe wie zum Beispiel Dienogest (1995), Drospirenon (2000), Chlormadinonacetat oder Cyproteronacetat als Gestagen genutzt.
Während hierzulande Kontrazeptiva vorrangig von Gynäkologen verschrieben werden, übernehmen dies in Dänemark in den meisten Fällen die Hausärzte. Schon allein aufgrund dieser Aufgabenverteilung ist die staatliche Arzneimittelbehörde bei umstrittenen Wirkstoffen weniger zurückhaltend als das BfArM.
Kontrazeptiva der 2. Generation seien nicht so risikoreich wie die der 3. und 4. Generation, heißt es von Sundhedsstyrelsen. Die Behörde sieht den Zusammenhang zwischen den neuen Wirkstoffen und dem erhöhten Thrombose-Risiko als belegt. Daher hat sie Ärzten bereits vor drei Jahren eine klare Empfehlung ausgesprochen: Nach Möglichkeit sollten diese Pillen der 2. Generation verschreiben. So viele Frauen wie möglich sollen darauf zurückgreifen.
Außerdem wurden die Ärzte dazu angehalten, die Risikofaktoren für Thrombosen ganz besonders im Auge zu behalten. So sollen sie ihren Patientinnen vom Rauchen abraten und auf Bluthochdruck und die erblichen Faktoren sowie das Alter achten. Ärzte haben die Anwenderinnen zudem über die ersten Anzeichen eines Blutgerinnsels aufzuklären, wie zum Beispiel Schmerzen in der Brust und Kurzatmigkeit.
Trotz der Risiken: Vom Markt nehmen will die Behörde die neueren Kontrazeptiva nicht. Sollte eine Frau aus bestimmten Gründen ein Präparat der 3. oder 4. Generationen verlangen, soll sich der Arzt auch nicht dagegen wehren, hieß es. Ohnehin zeigen die Statistiken, dass die Behörde mit ihrer Empfehlung Erfolg hat.
Während Pillen der 1. Generation kaum noch verschrieben werden, sind die Verkaufszahlen für die Pillen der 4. Generation konstant niedrig geblieben. Dagegen hat die 2. Generation der 3. inzwischen den Rang abgelaufen: Wurden vor vier Jahren noch knapp 8 Millionen Tagestherapiedosen (DDD) von Kombinationsprodukten mit Desogestrel oder Gestoden verkauft, sind es aktuell nur noch 2 Millionen. Der Absatz von Präparaten mit Ethinylestradiol/Levonorgestrel verdreifachte von nicht einmal 2 Millionen auf etwa 6 Millionen DDD.
Zum Vergleich: Laut Arzneiverordnungsreport wurden hierzulande 2013 insgesamt 268 Millionen DDD an Kontrazeptiva verordnet. Auf die 2. Generation entfielen 88 Millionen DDD, auf die 3. Generation 23 Millionen DDD und auf die 4. Generation 154 Millionen DDD.
Die Minipillen sind mit 15 Millionen DDD von untergeordneter Bedeutung. Allerdings umfassen diese Zahlen nur die Verordnungen auf GKV-Rezept. Die Studienlage zu den Nebenwirkungen der einzelnen Wirkstoffe wird von den Experten weniger eindeutig beurteilt.