Bürgerinitiative will Praxis vor Apotheke retten APOTHEKE ADHOC, 14.09.2018 12:26 Uhr
Hausärztin Claudia Ertl aus dem niederösterreichischen Schwadorf musste ihre Hausapotheke schließen. Grund ist eine alte Rechtsgrundlage, die jetzt zur Anwendung kommt. In 2,8 Kilometer Entfernung hatte eine öffentliche Apotheke eröffnet. Sie klagte. Sämtliche rechtlich mögliche Schritte blieben jedoch ohne Erfolg. Die Hausapotheke in Schwadorf bleibt geschlossen. Nun startete die Gemeinde sogar eine überregionale Bürgerinitiative, um die Rechtslage zu ändern.
Bereits im März entschied das zuständige Landesverwaltungsgericht, dass die Schwadorfer Gemeindeärztin ihre Hausapotheke mit sofortiger Wirkung schließen muss. Hintergrund des Gerichtsentscheids ist eine komplizierte rechtliche Situation, die ihren Anfang 1999 nahm. Denn damals hat die Apothekerin Monika Susanne Geyerhofer um eine Genehmigung für eine Apotheke in Enzersdorf ersucht. Das Gesetz schrieb damals vor, dass bei Genehmigung die Hausapotheke in Schwadorf schließen muss.
Die Apotheke kam jedoch erst 15 Jahre später. In der Zwischenzeit wurde durch die Apothekengesetznovelle aus dem Jahr 2006 unter anderem festgelegt, dass ärztliche Hausapotheken in sogenannten Ein-Arzt-Gemeinden bei Neueröffnung einer neuen Apotheke nicht geschlossen werden müssen, auch wenn die Entfernung von vier Kilometern unterschritten wird. Da die Genehmigung der Apotheke 1999 beantragt wurde, bildete auch das damals geltende Gesetz die Grundlage für die Entscheidung. Und so musste Ertl ihre Hausapotheke schließen. Die Hausärztin ging gegen den Beschluss vor. Doch nun sind alle rechtlichen Möglichkeiten nach Angaben von Erlts Anwalt ausgeschöpft und die Entscheidung gegen die Hausapotheke endgültig.
„Vor allem für ältere Menschen ist es eine Katastrophe“, sagte Ertl gegenüber APOTHEKE ADHOC. Angesichts der schlechten ÖPNV-Verbindungen steige die Abhängigkeit von alten und kranken Menschen von ihren Angehörigen und etwaigen Sozialdiensten. „Für manche ist dieser Weg beschwerlich, denn nicht jeder, der zum Arzt muss, ist jung und gesund“, so die Ärztin. „Davon abgesehen, dass mir ein wichtiger Teil meines Einkommens genommen wurden, haben die Menschen Schwierigkeiten, nach einem Arztbesuch die benötigten Medikamente zu erhalten.“
Die Gemeinde steht voll hinter ihrer Ärztin. Bürgermeister Jürgen Maschl war in dieser Angelegenheit mit einer Abordnung aus Schwadorf sogar bereits beim Gesundheitsministerium vorstellig. Er ist überzeugt, dass ärztliche Hausapotheken in allen Einarztgemeinden ohne Kilometergrenzen oder sonstige Einschränkungen erlaubt sein müssten. „Und auch ein Folgeproblem, was uns irgendwann einmal betreffen wird. Denn ohne Hausapotheken sind auch die ärztlichen Kassenstellen auf dem Land gefährdet, spätestens wenn die Ärztin bzw. der Arzt in Pension geht“, sagte er dem Portal meinbezirk.at.
Daher will die Gemeinde weiter für die Hausapotheke kämpfen und strebt sogar eine Gesetzesänderung an. Erreicht werden soll dies durch eine überregionale Bürgerinitiative. Dazu wurde dem Bürgermeister bei seinem Besuch im Gesundheitsministerium geraten. Die Vorbereitungen dazu seien bereits überregional angelaufen, weiß das Onlineportal.
Inzwischen seien rund zwanzig Gemeinden aus mehreren Bundesländern an der Initiative beteiligt. Denn das Problem betrifft nicht nur Schwadorf. Etwa 300.000 Menschen sollen in Österreich aufgrund der Gesetzeslage in ihrer Gemeinde zwar einen Hausarzt, aber keinen Zugang zu Medikamenten haben.