Arzneimittelfälschungen

Opfer gesucht: Betrug mit obskuren Krebsheilmitteln

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Berlin -

Sie verkauften Kochsalzlösung und nicht zugelassene Produkte als Krebsheilmittel und schädigten mindestens 92 Schwerstkranke. Das österreichische Bundeskriminalamt hat vier Verdächtige festgenommen und sucht nach weiteren Geschädigten.

Die Masche war in beiden Fällen ebenso fies wie effizient: Sie suchten Kontakt zu verzweifelten Patienten, deren Aussicht auf Heilung durch die Schulmedizin sehr gering war. Das Medikament „Powerlight“, so versprachen sie, sollte hundertprozentige Heilung bringen. In den Ampullen befanden sich unter anderem einfache Kochsalzlösung und nicht zugelassene Produkte.

Den Preis für die Präparate bemaßen die Täter nach der Schwere der Krankheit – je aussichtsloser die Fälle aus medizinischer Sicht waren, desto mehr mussten die Patienten bezahlen. Im Schnitt kosteten vier Ampullen rund 1580 Euro. In der Herstellung kostete „Powerlight“ rund 25 bis 30 Cent. Der Handel erfolgte ausschließlich online, die Ampullen wurden über einen Allgemeinmediziner aus Vorarlberg vertrieben. Eine Untersuchung war nicht erforderlich, die Patienten schickten lediglich eine Mail und erhielten „Powerlight“ per Post – ohne Beipackzettel oder sonstige Erklärungen.

Der Handel flog auf, nachdem die Tochter eines Opfers misstrauisch geworden war. Die „Medikamente“ hatten keinerlei Wirkung gezeigt, die Frau erstattete Anzeige wegen Betrugs. „Powerlight“ wurde ursprünglich von einem deutschen Arzt entwickelt. Im Zuge der Ermittlungen konnten bislang 80 Geschädigte ermittelt werden, die im Zeitraum von Ende 2015 bis Mitte 2016 das Produkt bezogen hatten. Die betroffenen Patienten sind zum Teil bereits verstorben, sodass nur noch die Angehörigen befragt werden konnten. Der Gesamtschaden beläuft sich bisher auf 70.000 Euro. Die beiden Beschuldigten bestreiten eine Betrugsabsicht.

Bei der zweiten mutmaßlichen Tätergruppe handelt es sich um neun Verdächtige aus Oberösterreich, die ebenfalls schwerstkranken Patienten Heilung durch ein obskures Präparat versprochen haben. Einige österreichische Abnehmer hatten das Präparat GcMAF der Firma FirstImmune gekauft. Bei dem Präparat handelt es sich um ein nicht für den Medizinmarkt zugelassenes Funktionsarzneimittel, das zur Behandlung zahlreicher schwerer Erkrankungen beworben wurde. Das Produkt soll Tumorzellen angreifen. Diverse in wissenschaftlichen Fachmagazinen veröffentlichte Studien wurden aufgrund mehrerer Unstimmigkeiten später wieder zurückgezogen.

Die Spezialisten des Bundeskriminalamtes ermittelten eine neunköpfige Gruppierung in Oberösterreich, die schwerstkranke Patienten zur Behandlung mit dem Produkt angeworben haben und denen Heilung versprochen wurde. Eine Ampulle des Präparates für mehrere tausend Euro an die Opfer weitergegeben. Dabei richtete sich der Preis nach dem Einkommen des Patienten und der Schwere der Krankheit. Neben den vermeintlichen Immunpräparaten wurden den Kranken auch Siedebenzin, Kohlenstoff und THC-haltige Substanzen verabreicht. Diese Substanzen wurden von der Gruppe in einem Kellerlabor selbst hergestellt und führten zu schwersten Nebenwirkungen bei den Patienten.

Bei den vier Hauptbeschuldigten handelt es sich um einen 52-jährigen Steinmetz, einen 33-jährigen Wettlokalbetreiber, einen pensionierten Zahnarzt und einen 53-jährigen Baumeister, wobei sie sich Patienten gegenüber als Apotheker oder als Onkologen ausgaben. Die Tatverdächtigen sind seit Dezember 2016 in Untersuchungshaft. Bei den durchgeführten Hausdurchsuchungen wurde eine große Menge an Beweismitteln sichergestellt. Die Festgenommenen bestreiten jegliche Betrugsabsicht und beteuern die Heilwirkung der Präparate.

In Österreich konnten bisher zwölf Opfer ausfindig gemacht werden. Die Ermittlungen wurden in enger Kooperation mit Europol geführt. Aufgrund der österreichischen Erkenntnisse konnten im Februar 2017 in Frankreich und auf der britischen Kanalinsel Guernsey gegen Hersteller und Organisatoren des Vertreibernetzwerkes eingeschritten, mehrere Untergrundlabore ausgeforscht und mehrere Beschuldigte festgenommen werden. Das Bundeskriminalamt ersucht weitere Opfer um Kontaktaufnahme unter [email protected].

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