Ein Schweizer Apotheken-Lehrling soll zahlreiche Medikamente und Wirkstoffe wie Morphin, Ritalin, Kokain und Viagra unter anderem aus seiner Ausbildungsapotheke gestohlen haben. Nachdem die Apothekeninhaberin vor einigen Monaten freigesprochen wurde, steht der Azubi nun vor Gericht. Auf die fristlose Entlassung könnte nun eine Gefängnisstrafe folgen.
Neben der Beschaffung und dem Konsum von Betäubungsmitteln werden dem jungen Mann von der Staatsanwaltschaft nach Informationen der Aargauer Zeitung gewerbsmäßiger Diebstahl, mehrfacher Hausfriedensbruch und geringfügige Sachbeschädigung zur Last gelegt. So soll er während seiner Lehre zum Drogist Betäubungsmittel und Medikamente, darunter Morphin, Ritalin, Kokain und Viagra, bei einem Lieferanten bestellt und anschließend die Bestellung aus dem EDV-System der Apotheke gelöscht haben. Die Ware soll der Azubi persönlich entgegengenommen, Lieferscheine verschwinden lassen und den Warenein- und -ausgang der Apotheke gefälscht haben.
Mit einem Mitbeschuldigten soll er außerhalb seiner Arbeitszeiten mehrfach in die Apotheke eingedrungen sein, um Betäubungsmittel und Medikamente zu stehlen. Doch auch nachdem er aufflog und im Februar 2016 fristlos entlassen wurde, hat der Lehrling es offenbar nicht dabei bewenden lassen. Er und der Mitbeschuldigte sollen in den Keller einer anderen Apotheke eingebrochen sein und Medikamente entwendet haben. Nur vier Tage später sind die beiden erneut in dieselbe Apotheke eingedrungen, berichtet die Aargauer Zeitung. Bei diesem Diebeszug sollen sie fünf Säcke mit Medikamenten gestohlen haben, wurden aber von der Kantonspolizei Aargau verhaftet.
Die Staatsanwaltschaft beantragte, den Lehrling zu einer unbedingten zwölfmonatigen Freiheitsstrafe unter Anrechnung der Untersuchungshaft sowie zu einer Geldstrafe von 800 Franken zu verurteilen. Der Angeklagte soll sich außerdem einer fünfjährigen Entwöhnungsbehandlung unterziehen.
Zu weiten Teilen soll der junge Mann seine Schuld schon eingestanden haben. Sein Anwalt widersprach jedoch insbesondere den Vorwürfen des gewerbsmäßigen Diebstahls, des Hausfriedensbruchs und der Verschaffung von Betäubungsmitteln. Der Diebstahl sei hauptsächlich für den Eigenkonsum erfolgt, da der Lehrling schwer abhängig war, wird der Anwalt im Bericht zitiert. Gewerbsmäßiger Handel läge nicht vor, da sein Mandant die Ware nur zum Selbstkostenpreis weitergegeben habe.
Der Verteidiger führte weiter aus, dass der Angeklagte die Taten nur begehen konnte, weil er für die Medikamentenbestellung eingeteilt worden war. Und das, obwohl die Apothekeninhaberin von der Suchtproblematik ihres Azubis gewusst haben soll. Denn der junge Mann soll bereits im Dezember 2014 wegen ähnlicher Delikte verurteilt worden sein. Das psychiatrische Gutachten attestiere Marko zudem eine verzögerte Entwicklung, wie die Aargauer Zeitung berichtet.
Der Anwalt plädierte demnach für eine deutlich mildere Strafe von 180 Tage zu 30 Franken unter Anrechnung der Untersuchungshaft und den Verzicht der Entwöhnungsbehandlung, da der junge Mann Anfang August eine neue Lehre als Logistiker angetreten habe und keine Drogen mehr nehme, was entsprechende behördliche Abstinenzprotokolle belegten. Das Urteil soll in wenigen Tagen verkündet werden.
Der Fall des Lehrlings machte bereits im Frühling Schlagzeilen. Im April stand die Apothekeninhaberin vor Gericht, weil sie aus Sicht der Staatsanwaltschaft ihrer Sorgfaltspflicht bei der Betäubungsmittelkontrolle nicht nachgekommen sei. Sie soll es unterlassen haben, Ein- und Ausgang von Medikamenten, die dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt sind, zu kontrollieren. Vielmehr habe sie „weitgehende Kontrollkompetenzen“ an den Lehrling übertragen, was dieser „mittels arglistiger Vorgehensweise“ ausnutzte, um Medikamente zu stehlen, lautete die Argumentation der Staatsanwaltschaft.
Der Verteidiger der Apothekerin betonte laut Bericht vor Gericht, dass es keine Vorschrift gebe, die die persönliche Kontrolle durch die Apothekeninhaberin vorschreibe. Sie habe nichts von den Manipulationen gewusst und könne nicht dafür belangt werden. Zudem sei im Strafbefehl der Staatsanwaltschaft gar nicht klar ausgeführt, welche Sorgfaltspflichten die Apothekerin denn verletzt habe. Das Gericht schloss sich dieser Argumentation weitgehend an und sprach die Apothekerin frei. Der Richter befand, dass sie ihrem Azubi zwar zu sehr vertraut, aber keine juristische Grenze überschritten habe, die eine Strafe rechtfertigen würde.
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