Bei ungesundem Lebensstil am effektivsten

ASS senkt Darmkrebsrisiko um über 30 Prozent Katharina Brand, 13.08.2024 13:23 Uhr

Risikosenkung um bis zu 38 Prozent: Der Harvard-Studie liegen Daten von über drei Jahrzehnten zugrunde. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

In einer aktuellen Studie untersuchte die Harvard-Universität in Kooperation mit dem Massachusetts General Hospital (MGH), ob die Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) mit einer Verringerung des Darmkrebsrisikos (CRC) über verschiedene Lebensstil-Risikofaktoren hinweg verbunden ist. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Jama Oncology veröffentlicht. Hinweise auf die zellschützende Wirkung von ASS hatten bereits vorangegangene Studien geliefert.

Die US Preventive Services Task Force empfahl bis 2016 die tägliche Einnahme von niedrig dosiertem ASS zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Dickdarmkrebs. Diese Empfehlung galt für alle Erwachsenen im Alter von 50 bis 59 Jahren, also der Altersgruppe mit dem höchsten Risiko für Dickdarmkrebs. 2016 zog sie die Empfehlung aber teilweise zurück. Die Befürchtung: ASS erhöhe das Risiko von Magen-Darm-Blutungen.

Mit der nun veröffentlichten Studie wolle man diesen Ansatz gezielt wieder aufgreifen. „Wir wollten herausfinden, welche Personen besonders von ASS profitieren, um gezielte Präventionsstrategien zu entwickeln“, erklärt Andrew Chan, Co-Seniorautor der Studie und Direktor für Epidemiologie am Mass General Cancer Center. Denn: Dickdarmkrebs ist laut National Cancer Institute die zweithäufigste Krebstodesursache in den USA.

Risikosenkung um bis zu 38 Prozent

In der umfassenden Kohortenstudie, die über drei Jahrzehnte lief und 107.655 Teilnehmer:innen umfasste, untersuchten die Forschenden den Einfluss von ASS auf die Krebsprävention. Die Daten stammen aus den Jahren 1980 bis 2018 für Frauen und 1986 bis 2018 für Männer. Ziel der Studie war es herauszufinden, wie sich die regelmäßige Einnahme von Acetylsalicylsäure auf das Darmkrebsrisiko auswirkt, insbesondere bei Menschen mit ungesunden Lebensgewohnheiten.

Die Studie verdeutlicht, dass bei ASS-Nutzenden die kumulative 10-Jahres-Inzidenz von Darmkrebs bei 1,98 Prozent lag, verglichen mit 2,95 Prozent bei denen, die das nicht-steroidale Antireumatikum (NSAR) nicht einnahmen. Dies zeigt eine absolute Risikoreduktion von 0,97 Prozent durch die regelmäßige Einnahme von Aspirin. Besonders auffällig ist die signifikante Risikominderung bei den ungesündesten Teilnehmer:innen, bei denen das Risiko von 3,4 Prozent auf 2,12 Prozent sank. Im Gegensatz dazu war der Unterschied bei den gesünderen Proband:innen geringer, und sank von 1,6 Prozent auf 1,5 Prozent.

Das bedeutet: Menschen, die regelmäßig ASS einnahmen, hatten ein um etwa 33 Prozent niedrigeres Risiko, in den nächsten 10 Jahren an Darmkrebs zu erkranken. Bei Teilnehmenden mit besonders ungesunden Lebensstilen, wie Übergewicht oder Rauchen, war der Nutzen noch ausgeprägter; hier reduzierte sich das Risiko um 38 Prozent.

Spannend für Risikopatient:innen

„Unsere Ergebnisse belegen, dass Acetylsalicylsäure besonders effektiv ist, um das hohe Risiko bei Personen mit mehreren Risikofaktoren für Darmkrebs zu senken. Bei Menschen mit gesünderem Lebensstil war der Nutzen weniger stark ausgeprägt, aber dennoch vorhanden“, erläutert Daniel Sikavi, Hauptautor der Studie und Gastroenterologe am MGH.

Sikavi hebt hervor, dass die Studie Teilnehmende einbezog, die regelmäßig Standarddosen von 325 mg Aspirin zweimal wöchentlich einnahmen. Frühere Studien unterstützen jedoch die tägliche Einnahme von mit 81 Milligram niedrigdosiertem ASS als effektive Präventionsmaßnahme. Die neuen Erkenntnisse könnten helfen, individuell zugeschnittene Präventionsstrategien zu entwickeln und die Rolle von ASS in der Krebsprävention weiter zu klären.

Frühere Studien

Zuletzt hatte eine im Fachmagazin „Cell Death and Disease“ publizierte Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) aufgezeigt, dass Acetylsalicylsäure die Tumor-suppressiven Mikro-RNAs miR-34a und miR-34b/c steigert. Dadurch werde das Tumorwachstum gehemmt, die Wirkung erfolge unabhängig vom oft inaktivierten Tumorsuppressor p53, was eine therapeutische Nutzung bei p53-mutierten Krebsarten unterstützen könnte.

Frühere Studien haben darüber hinaus gezeigt, dass ASS möglicherweise die Prostaglandinsynthese verringert, die mit der Krebsentstehung in Verbindung steht. Zusätzlich kann das NSAR Signalwege blockieren, die unkontrolliertes Zellwachstum verursachen, die Immunantwort gegen Krebszellen beeinflussen und die Bildung von Blutgefäßen hemmen, die Krebszellen mit Nährstoffen versorgen. „ASS könnte Dickdarmkrebs durch mehrere verschiedene Mechanismen verhindern“, schätzt Chan.

Die aktuelle Studie untersuchte jedoch nicht die möglichen Nebenwirkungen einer täglichen Wirkstoffeinnahme, wie zum Beispiel Blutungen. Trotz der umfassenden Betrachtung verschiedener Risikofaktoren für Dickdarmkrebs in der Studie, können weitere unbekannte Faktoren Einfluss auf die Ergebnisse gehabt haben, da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt und die Gruppen von ASS-Nutzenden und -Nichtnutzenden möglicherweise nicht vollständig vergleichbar waren.