Südtirol

Apothekerin verschenkt Wanderweg

, Uhr
Berlin -

Die einen schmeißen rauschende Partys mit Schnittchen und Sekt, die anderen veranstalten Tombolas mit tollen Preisen. Nicht so Sigrid Haller: Zum 30. Geburtstag ihrer Apotheke Gadria stiftete sie der Bevölkerung ihres Südtiroler Dorfes einen Wanderweg.

Streng genommen lebt eine Apothekerin von den Wehwehchen ihrer Mitmenschen. Doch ihre Auffassung vom Beruf sei eine andere, bekundet Haller: „Für mich ist Prävention sehr wichtig. Ich finde, die beste Krankheit ist nichts wert.“ Bewegung sei für sie das A und O. „Ich halte viel vom Breitensport. Zum 30. Geburtstag wollte ich den Menschen etwas geben, das ihnen zugute kommt und bleibt.“

Die Idee eines Wanderwegs sei schon seit Jahren gereift, auch der Name „Apothekersteig“ habe schon lange festgestanden. „Der Vinschgau ist eines der trockensten Täler hier in den Alpen. Die eine Seite ist sehr bewaldet, die andere eine Steppe.“ Genau durch diese karge Landschaft sollte es gehen. „Viele wissen nichts von der botanisch sehr interessanten Vegetation. Hier wachsen auf einem Quadratmeter mehr unterschiedliche Pflanzen als auf der bewaldeten Seite, Hagebutten, Königskerzen, Wacholder, Bärwurz, alles, was trockene Hänge liebt.“

Doch um die Idee in die Realität umzusetzen, habe es Verbündete gebraucht. „Ich musste jemanden finden, der mir das erlaubt und hatte zudem keine große Ahnung, wie man so etwas anlegt.“ Sie traf sich mehrfach mit Vertretern der Gemeinde, der Forstverwaltung, des Alpenvereins und der Eigenverwaltung, der die öffentlichen Gründe gehören. „Alle fanden das eine tolle Idee.“

Zu einem wichtigen Motor sei Walter Verdross, ein mittlerweile pensionierter Wanderführer, geworden. „Zwei Jahre war er damit beschäftigt, den Weg auszuheben.“ Die Aktion habe weite Kreise gezogen, Verdross viel Unterstützung von freiwilligen Helfern gefunden.

Der fertige Weg führt vom Loretzer Boden durch die Laaser Leiten bis zu den Viehtränken unter den Onyxbrüchen. Er vereint sich mit einem bereits länger bestehenden Pfad zu einem in etwa einer Stunde zu bewältigen Rundgang. „Man kann ihn am besten im Frühling, Herbst und Winter nutzen, Schnee hält hier nie lange“, sagt Haller. „Im Sommer ist es hier viel zu heiß.“ Am 8. Oktober machten sich 170 Menschen auf zur Einweihungswanderung. Die Läufer- und die Nordic-Walking-Gruppe stifteten die Verpflegung.

Das heute sehr gute Verhältnis zur Bevölkerung sei in langen Jahren gewachsen. Zu Beginn habe man sich schon aneinander gewöhnen müssen, räumt Haller ein. „Ich komme aus der Gegend von Meran. Mit 2000 Einwohnern ist Laas noch kleiner als der Ort, in dem ich aufgewachsen bin.“ Zudem gebe es hier sehr wenig Touristen. „Das ist in Südtirol eine Ausnahme“, berichtet sie. „Der Ort ist bekannt für seinen weißen Marmor, der unter Tage abgebaut wird.“ Auch die Landwirtschaft sei prägend. „Hier leben sehr viele Bauern. Sie sind angenehm direkt und sagen, was sie denken und wollen. Das ist eine Qualität, die in größeren Orten etwas verloren geht.“

Als sie die Apotheke Gadria am 10. Oktober 1987 eröffnete, habe sie gerade 27 Jahre gezählt. Damit sei sie die jüngste Inhaberin von ganz Südtirol gewesen. „In Italien gibt es ein Corum, das heißt, um eine Apotheke zu eröffnen, muss am Ort eine gewisse Einwohnerzahl vorhanden sein“, erläutert sie. „Wenn keine Apotheke vorhanden ist, wird sie vom Staat ausgeschrieben. Dafür kann sich jeder bewerben. Für Laas hat sich niemand interessiert, das war schon mal ein Vorteil.“ Haller musste sich einer Prüfung unterziehen, in der Wissen und Erfahrung unter die Lupe genommen wurden. Ihre Kompetenz habe die verständlicherweise nur gering vorhandene Routine halbwegs ausgleichen können.

Als letztes absolvierte sie noch eine regionale Besonderheit: „Als Inhaberin musste ich noch nachweisen, dass ich sowohl Deutsch als auch Italienisch in Wort und Schrift beherrsche. Die charakterischen Stoffe und Begrifflichkeiten musste ich in beiden Sprachen kennen. Das war gar nicht so einfach.“ Auch für ihre Angestellten gilt heute die Zweisprachlichkeit als Pflicht: „Ab und zu bewerben sich mal Fachkräfte aus Mittelitalien bei mir“, erzählt Haller. „Eine Mitarbeiterin kommt aus Padova, sie legt sich sehr ins Zeug. für sie ist es aber schon eine Herausforderung, außer hochdeutsch noch den hiesigen Dialekt zu beherrschen.“

Die Räumlichkeiten für die Apotheke seien ihr vom Land Südtirol gestellt worden. „Ich musste lediglich die Einrichtung und das Sortiment bezahlen und mich verpflichten, mindestens fünf Jahre in Laas zu bleiben.“

Die ersten 15 Jahre hielt die Apothekerin allein den Betrieb aufrecht. „Ich hab Stunden ohne Ende hingebogen. Aber ich war jung und gesund.“ Zumindest letzteres sei sie glücklicherweise noch immer. Heute zählen fünf Frauen zu ihrem Team, zwei arbeiten in Vollzeit, die anderen als Mütter in Teilzeit. „So lässt sich die Apotheke gut stemmen.“ Denn ohne Unterstützung ginge es heute nicht mehr. „Der bürokratische Aufwand ist mittlerweile ins Unendliche gestiegen.“

Mit Rabattverträgen wie die Kollegen in Deutschland müsse sie sich zwar nicht herumschlagen. „In Italien gibt es seit den Siebzigern nur eine einzige Krankenkasse. Sie bezahlt grundsätzlich das günstigste Medikament“, erläutert die Inhaberin. „Die Entscheidung liegt beim Kunden, welches Präparat er haben will. Wenn er eines will, das teurer ist, muss er die Preisdifferenz selbst zahlen.“ Die Entscheidung müsse sie sich vom Kunden schriftlich bestätigen lassen. „Der damit verbundene Aufwand ist Unsinn.“

Auch die italienische Pharmabehörde AIFA wolle ständig auf dem Laufenden gehalten, etwa wenn Medikamente nicht lieferbar seien. „Solche Meldungen sind eine Art Beschäftigungstherapie.“

Ähnlich wie in Deutschland werde es auch in Südtirol und Italien zunehmend schwerer, eine Apotheke profitabel zu halten. „Mein Umsatz mit der Krankenkasse ist im Laufe der Jahre um die Hälfte zurückgegangen.“ Doch gebe es Unterschiede: „Die Preise für Medikamente sind niedriger als in Deutschland, Neuzulassungen kosten dagegen mehr“, sagt Haller. „Wir haben zwar ein Lager, aber vor allem für günstigere Arzneimittel. Teure, vom Arzt verordnete Medikamente müssen wir bei der zuständigen Sanitätseinheit bestellen. Für die Abrechnung des Rezepts erhalten wir lediglich ein kleines Honorar.“

Immerhin habe ihr die zunehmende Digitalisierung einiges an Arbeit abgenommen. „Ich war damals eine der ersten Apotheker in Südtirol, die sich einen PC angeschafft hat. Früher musste ich Bestellungen telefonisch aufgeben. Heute sagt mir das System automatisch, was noch auf Lager ist oder zur Neige geht und schlägt mir vor, welche Mengen ich bestellen sollte.“ Die Apotheke liege in einem Grenzgebiet. „Ich habe öfter Kunde, die ein deutsches oder österreichisches Medikament wollen. Früher mussten wir dafür die Rote Liste und die Verzeichnisse für Österreich und Italien wälzen. Heute sagt mir der Computer, welcher Wirkstoff im gewünschten Präparat enthalten ist.“

Über all den Höhen und Tiefen im Apothekenleben ist ihr eine private Konstante geblieben. „Ich habe noch den selben Lebensgefährten wie vor 30 Jahren. Er lebt in der Meraner Gegend, wir führen so etwas wie eine Entfernungsbeziehung. Vielleicht ist es gerade deshalb so lange mit uns gut gegangen.“

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema
Mehr zum Thema
Kein Bewusstsein für Leistung vorhanden
Notdienst: Apotheker für 50 Prozent Luxus-Aufschlag
Mehr aus Ressort
Tausende Filialen schließen
USA: Kahlschlag bei Apothekenketten
2500 Packungen illegal nach China verkauft
Paxlovid: Apothekerin aus Innsbruck angeklagt
Weniger Einnahmen, mehr Ausgaben
Krankenkasse rechnet mit Milliardenverlusten

APOTHEKE ADHOC Debatte