Apotheker sollen Berlusconi retten Benjamin Rohrer, 11.07.2011 17:59 Uhr
Nicht nur Griechenland, sondern auch Italien macht den EU-Finanzexperten derzeit Sorge. Um einer Staatspleite zu entgehen, hat das Kabinett Berlusconi massive Sparmaßnahmen beschlossen. Insgesamt soll der Haushalt auf der Ausgabenseite bis 2014 um mehr als 40 Milliarden Euro entlastet werden. Knapp acht Milliarden Euro sollen bei der öffentlichen Gesundheit gekürzt werden. Eine kurze, ungenau gehaltene Passage des Entwurfs macht auch den Apothekern Sorgen.
Die Regierung plant, ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Spargesetzes eine Kommission zur Liberalisierung der regulierten Berufe und öffentlichen Dienstleistungen zu bilden. Neben Regierungsmitgliedern sollen der Kommission Experten der EU-Kommission, der OECD und des Internationalen Währungsfonds beisitzen. Genaueres will die Regierung derzeit nicht bekannt geben. Italiens Wirtschaftsminister Giulio Tremonti sagte jedoch, dass man im Bereich der verkammerten Berufe „ernsthaft eingreifen“ wolle.
Bei einer Konferenz an der Mailänder Universität hatte Luigi Casero, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, angekündigt, dass auch der Beruf des Apothekers liberalisiert werden soll. Als mögliche Maßnahmen für die verschiedenen Berufe nannte Casero die Aufhebung von Werbeverboten, die Streichung von Fest- oder Mindestgehältern und die Möglichkeit, Kapitalgesellschaften zu bilden. Wie weit die Vorschläge im Apothekenbereich gehen werden, vermag derzeit niemand zu sagen.
Schon für die Finanzhilfen an Griechenland und Irland hatte die EU-Kommission gesetzliche Änderungen im Apothekenmarkt gefordert. Durch strukturelle Maßnahmen, etwa bei der Bedarfsplanung oder beim Apothekenhonorar, sollte der Wettbewerb verbessert werden. Dass die Brüsseler Behörde laut Europäischem Gerichtshof eigentlich keine Mitsprache auf diesem Gebiet hat, spielt in der Krise keine Rolle.
Fest steht bereits, dass im Arzneimittelmarkt gespart werden soll: Die Regionen dürfen ab 2013 nur noch 12,5 Prozent ihres Gesundheitsetats für Medikamente aus Apotheken ausgeben; derzeit liegt die Obergrenze bei 13,3 Prozent. Insbesondere für süditalienische Apotheker ist dies eine schlechte Nachricht: In der Region Kampanien ist der Gesundheitsdienst gegenüber den Apothekern mit 600 Millionen Euro im Zahlungsrückstand. Zusätzliche Mittel zum Ausgleich der Schulden sind nicht vorgesehen.
Auch im stationären Bereich gibt es Obergrenzen. Werden diese überschritten, müssen etwa Pharmahersteller, deren Produkte über die Kliniken vertrieben werden, 35 Prozent des Defizits übernehmen. Je nach Umsatz soll die Last auf die Unternehmen verteilt werden. Da die Arzneimittelabgabe in italienischen Klinikapotheken subventioniert ist , werden jährlich etwa 9 Prozent aller Medikamente in Kliniken abgegeben. Das entspricht etwa 1,6 Milliarden Euro.
Stimmt das Parlament dem Gesetzesvorhaben zu, sind auch die Patienten massiv betroffen: Ab dem 1. Januar 2012 sind für jede fachärztliche Untersuchung 10 Euro Praxisgebühr vorgesehen. Je nach Haushaltslage behält sich der Staat vor, die bereits bestehenden Zuzahlungen auf Arzneimittel und „alle medizinischen Behandlungen“ bis 2014 zu erhöhen. Im Jahr 2014 sollen 40 Prozent der Kürzungen durch Zuzahlungen kompensiert werden.