Die italienischen Apotheker wollen am 19. November gegen die Liberalisierungspläne der Regierung streiken. In dieser Woche beraten die Pharmazeuten über mögliche Maßnahmen. Nach dem Willen der Politiker sollen in Italien künftig auch nicht erstattungsfähige verschreibungspflichtige Arzneimittel in Supermärkten und anderen Einzelhandelsgeschäften verkauft werden dürfen, darunter sogar einige Betäubungs-, Schmerz- und Beruhigungsmittel.
Der OTC-Markt war bereits im vergangenen Sommer liberalisiert worden. „Jetzt merken die Supermärkte, dass sich im OTC-Bereich wegen des Preiskampfes und wegen der verzögerten Zulassung von Eigenmarken nichts verdienen lässt“, erklärt ein italienischer Apotheker gegenüber APOTHEKE ADHOC. „Wir haben einfach zu spät realisiert, dass gerade die Anwesenheitspflicht eines Apotheker in den OTC-Shops dazu führen würde, dass die Anbieter eine Ausweitung des Angebots fordern.“
Von der Freigabe wären Arzneimittel mit einem Volumen von drei Milliarden Euro betroffen, also einem Marktanteil, der deutlich über dem der im vergangenen Jahr freigegebenen OTC-Produkte liegt. In Italien werden nur lebenswichtige Medikamente erstattet; für bestimmte Arzneimittel gelten Indikationsvorgaben, außerhalb derer die Patienten selber zahlen müssen. Beispiele sind Cholesterinsenker in der Prävention, systemische Herpesmittel, die nur bei schwerem Genitalherpes oder Gürtelrose erstattet werden, sowie Antirheumatika und Schmerzmittel, die nur bei dauerhaftem Schmerz bezahlt werden, bei Unfällen und Verletzungen aber selbst bezahlt werden müssen.
Ursprünglich hatte das Gesetz, das auch verschiedene andere Bereiche betrifft, noch vor der Sommerpause den Senat passieren sollen. Eine Mehrheit der Abgeordneten des italienischen Unterhauses (Camera dei Deputati) hatte bereits Ende Mai der Gesetzesvorlage zugestimmt. Die italienischen Apothekerverbände hatten von Anfang an scharfe Kritik an dem Vorhaben geübt und mit neuen Streiks sowie einer Kündigung des Kassenvertrages gedroht, sollte die Regierung nicht einlenken.
Doch die Mitte-Links-Koalition aus einem Dutzend Parteien ist mit ihrer knappen Mehrheit offenbar nur beschränkt handlungsfähig. Die italienische Gesundheitsministerin Livia Turco hatte zunächst versucht, die Gesetzesinitiative zu stoppen, da ihrer Meinung nach die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die notwendige Beratung und weitere mit der Abgabe verbundene Dienstleistungen für den Patienten nur von Apothekern und in Apotheken erbracht werden können. Bislang ist der Erfolg jedoch ausgeblieben.
„Sollte das Gesetz kommen, kann ich genauso gut meine Apotheke schließen und irgendwo eine Parapharmacie eröffnen“, erklärt der Apotheker. „Denn nur das, was Arbeit macht, wäre dann noch Aufgabe der Apotheken.“ Noch versuchen die Apothekerverbände gemeinsam, eine Änderung des Gesetzes durchzusetzen. Sollte der Entwurf jedoch zu einer Vertrauensfrage führen, hätten Italiens Pharmazeuten wahrscheinlich so oder so verloren: Entweder passiert das Vorhaben dann unverändert den Senat, oder die angeschlagene Regierung stürzt endgültig. Dann jedoch würde die Opposition gestärkt, und aus deren Reihen war die Novelle eingebracht worden.
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