Am Krankenhaus in Frauenfeld soll eine öffentliche Apotheke entstehen. Betrieben werden soll sie von der kantonseigenen Spitalpharmazie Thurgau. Die niedergelassenen Apotheker laufen nun gegen die Pläne Sturm und wollen die Apotheke selber führen. Anderenfalls fürchten sie erhebliche Umsatzeinbußen durch staatliche Konkurrenz, wie es offenbar bei der Spitalapotheke in Münsterlingen, die ebenfalls von der Spitalpharmazie Thurgau geführt wird, bereits der Fall ist.
Bis zu 30 Prozent ihres Umsatzes sollen Thurgauer Apotheken eigenen Angaben nach mit Patienten erzielen, die frisch aus dem Krankenhaus entlassen worden sind. Nun fürchten sie, künftig deutlich weniger solcher Entlassrezepte, in der Schweiz Spitalaustritts-Rezepte genannt, in ihren Apotheken zu sehen. Denn die Spitalpharmazie Thurgau will im ersten Quartal 2019 im Kantonsspital Frauenfeld eine Apotheke eröffnen. Das berichtet das Schweizer Tagblatt. Die „Horizontapotheke“ soll öffentlich zugänglich sein, aber in erster Linie die frisch entlassenen Patienten bedienen, die sich ihre Medikamente nicht mehr in einer privaten Apotheke besorgen müssten.
Von der künftigen Konkurrenz stark betroffen sieht sich auch Stefan Ullmann, Chef der Passage-Apotheke in Frauenfeld und seit diesem Jahr Präsident des Vereins Apotheken Thurgau. Seiner Auffassung nach sollen staatliche Strukturen nicht mit privaten Firmen konkurrieren. Die Spitalpharmazie Thurgau ist Anfang 2015 aus dem Spital Thurgau ausgegliedert worden. Beide Firmen gehören der Thurmed, die wiederum zu 100 Prozent dem Kanton Thurgau gehört. Die Pläne der Spitalpharmazie könnten öffentliche Apotheken sogar in ihrer Existenz gefährden, warnte Ullmann im Tagblatt.
Die Apotheker seien erst im September von Regierungsrat Jakob Stark, verantwortlich für Finanzen und Soziales, über die Pläne der Spitalpharmazie informiert worden. Auf die Vorbehalte der Pharmazeuten sei Stark nicht eingegangen, sondern habe der Spitalpharmazie den Rücken gestärkt.
Die Sorgen der Apotheker sind durchaus begründet. In den vergangenen Jahr hat man offenbar bereits schlechte Erfahrungen am Kantonsspital Münsterlingen gemacht. Bereits seit Januar 2014 betreibt die Spitalpharmazie dort in Eigenregie eine öffentliche Apotheke. Die am nächsten gelegenen Apotheken – von Kreuzlingen über Weinfelden bis Arbon – hätten es zu spüren bekommen, sagte Ullmann der Presse. In Frauenfeld und Umgebung würde es ebenso laufen. „Aufgrund der Erfahrungen von Münsterlingen kann man einschätzen, dass ein beträchtlicher Teil des Umsatzes wegfallen würde“, so der Apotheker.
Daher wollen die Thurgauer Apotheker die Horizontapotheke am liebsten selber führen. Nach Vorbild von Genf und Aarau kündigten sie an, dafür eine Aktiengesellschaft gründen zu wollen. Auch die Münsterlinger Campus-Apotheke soll von ihr übernommen werden. Die Kantonsregierung habe den Apothekern laut Ullmann ein Gespräch mit der Thurmed zugesichert. Dann soll der Alternativvorschlag Apotheker diskutiert werden soll. Noch ist der Termin jedoch offen.
Doch dabei belässt es der Präsident der Thurgauer Apotheker nicht. Ullmann soll sich außerdem an den Kantonsrat Josef Gemperle gewandt haben. Daraufhin hat dieser mit sieben weiteren Parlamentskollegen aus allen Fraktionen eine parlamentarische Anfrage an die Kantonsregierung gestellt, die außerdem 50 Mitunterzeichner gefunden hat. Laut Gemperle hat Thurgau eine der niedrigsten Apothekendichten der Schweiz. Die Pläne der Spitalpharmazie schwäche die Grundversorgung weiter. Seiner Auffassung nach sollte eine Apotheke am Kantonspital die öffentlichen Apotheken nicht zu stark belasten. „Wir müssen es mindestens im Rat diskutieren“, sagte er dem Tagblatt.
Marc Kohler, CEO der Spital Thurgau und Verwaltungsrat der Spitalpharmazie Thurgau, teilte auf Nachfrage der Tageszeitung mit, dass es „politisch nicht korrekt“ wäre, wenn er der Diskussion im Großen Rat, dem Thurgauer Kantonsparlament, vorgreifen würde. Von den Mitgliedern der Kantonsregierung würde es „sicher nicht goutiert“, wenn er parlamentarische Anfragen zur Spitalpharmazie kommentieren würde.
Auch sonst hält sich das Unternehmen offenbar sehr verdeckt. Im Tagblatt wird Thurmed als „die Dunkelkammer des Kantons“ bezeichnet. Obwohl die Firma zu 100 Prozent dem Kanton Thurgau gehört, fühlen sich viele Parlamentsmitglieder offenbar schlecht informiert und stellten im Sommer eine parlamentarische Anfrage an die Regierung, die den Titel „Mehr Licht in die Thurmed-Gruppe“ trug.
Die Thurmed falle bei Eigenauskunft besonders im Vergleich zu anderen kantonseigenen Unternehmen wie der Thurgauer Kantonalbank ab, fanden die Unterzeichner. So erstelle das Unternehmen nicht einmal einen eigenen Geschäftsbericht. Nur am Ende des Geschäftsberichts der Spital Thurgau fänden sich einige „ergänzende Informationen zur Thurmed-Gruppe“, die weitere elf Tochtergesellschaften umfasst, zitiert Tagblatt aus der Anfrage. Vermisst wurden demnach auch Aussagen zur Strategie, zum Thema Nachhaltigkeit ebenso wie zur Corporate Governance. Die Zurückhaltung des Unternehmens gehe sogar soweit, dass nicht einmal der Fotografin der Thurgauer Zeitung erlaubt worden sei, ein Bild der Campus-Apotheke im Spital Münsterlingen zu machen.
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