In der Marien-Apotheke in Wien bedient Magister Sreco Dolanc seine Kundschaft in Gebärdensprache. Er selbst ist von Geburt an gehörlos, das war für ihn jedoch nie ein Hindernis. Schon früh wusste der Slowene, dass er in die Apotheke möchte. Seit 2013 bereichert er den Alltag seiner Kollegen und Kunden und macht die Apotheke mittlerweile zu einer besonderen Anlaufstelle.
Karin Simonitsch, Leiterin der Apotheke, hat Dolanc´s Talent schnell entdeckt. Bereits vor ihm hat sie zwei gehörlose Mitarbeiter eingestellt und ausgebildet. Dolanc absolvierte das Pharmaziestudium an der Universität in Ljubljana. Heute steht er hinter dem HV-Tisch und berät gehörlose Kunden. Bei hörenden Kunden, steht ihm eine Gebärdendolmetscherin zur Seite. Der junge Apotheker beherrscht die österreichische und slowenische Gebärdensprache.
Da für Gehörlose die Kommunikation schwierig ist, kommt auch viel Kundschaft von weiter weg für die spezielle Beratung. Auf der Apotheken-Website erläutert Dolanc verschiedene Gesundheitsthemen in über 30 Videos für Gehörlose. Außerdem hält er regelmäßig Vorträge in Gebärdensprache.
Unter den Kollegen ist seine Gehörlosigkeit kein Problem. Im Gegenteil: Einige von ihnen beherrschen als Kinder gehörloser Eltern, sogenannten „CODAs“ (Children of Deaf Aduts) ebenfalls die Gebärdensprache. Andere haben zumindest die Basics gelernt, um im Alltag mit Dolanc kommunizieren zu können. Außerdem können im Notfall die Kollegen bei der Übersetzung helfen, wenn kein Dolmetscher vor Ort ist. Am Anfang fanden in regelmäßigen Abständen fGebärdensprachkurse für das Team statt. Die Gehörlosigkeit ist für alle schon zur Normalität geworden. In puncto Brandschutz musste die Apotheke allerdings spezielle Vorkehrungen treffen. Alle gehörlosen Mitarbeiter tragen einen Pager bei sich, der im Falle eines Brandes vibriert und die Betroffenen warnt.
Für Menschen mit Hörgeräten oder CI-Implantaten, hat die Marien Apotheke einen speziellen HV-Tisch eingerichtet, auf dem sich eine induktive Höranlage befindet, die störende Hintergrundgeräusche ausblendet. So kann das Gesprochene besser verstanden werden, ohne dass die Stimme erhoben werden muss. Der besondere „Tara-Platz“, wie der HV-Tisch in Österreich genannt wird, gleicht den anderen HV-Tischen und wird ebenso für „normale“ Beratungen genutzt. Er ist jedoch mit einem Symbol gekennzeichnet und das Gerät ist jederzeit eingeschaltet, sodass der Kunde nicht explizit auf sein Bedürfnis aufmerksam machen muss. Die diskrete Beratung ist somit auch für Träger von Hörgeräten sichergestellt.
Neben der Spezialisierung auf Gehörlose, ist die Apotheke Anlaufstelle für Menschen mit HIV. Die Mitarbeiter bilden sich regelmäßig fort und auch die gängigen HIV-Medikamente sind stets auf Lager, um eine unkomplizierte und schnelle Betreuung zu ermöglichen. Ein weiterer Service der Apotheke ist die individuelle Verblisterung der Medikamente.
Im Herbst letzten Jahres bot die Marien Apotheke einen kostenlosen „Medi-Check“ für alle Kunden an. Durchgeführt wurde er von Apothekerin Fiona Nagele, die eine spezielle Ausbildung zum Klinischen Pharmazeuten absolviert hat. Durch die feste Terminabsprache, konnte sich Nagele ausreichend Zeit für die ausführliche Prüfung von Wechselwirkungen nehmen und bei Problemen oder Unklarheiten Rücksprache mit dem behandelnden Arzt halten. Bei den gehörlosen Kunden, standen ihr Dolanc und eine Gebärdendolmetscherin zur Seite.
Die Marien Apotheke hat sich vollkommen auf ihre gehörlose Kundschaft eingestellt. Selbst der monatliche Newsletter enthält einen Video-Link, in dem die Neuigkeiten in Gebärdensprache übersetzt sind. In Zukunft soll es sogar einen Gehörlosen-Blog geben. Karin Simonitsch kooperiert mit zahlreichen Organisationen, um den Austausch zwischen Gehörlosen und Hörenden zu fördern und setzt sich dafür ein, Betroffenen ein normales Leben zu ermöglichen. Im November 2015 wurde die Apotheke deshalb von Sozialminister Rudolf Hundstorfer im Rahmen des „Betrieblichen Sozialpreises“ mit dem ersten Platz für die Ausbildung und Beratung von gehörlosen Menschen ausgezeichnet.
Neben dem umfangreichen Service, bietet die Apotheke auch viele Eigenprodukte wie Parfum, Pflaster und Bonbons an. Ein Highlight sind die sogenannten „Sister-Blister-Lampen“, die auch die eigene Offizin verschönern. Seit 2007 werden Diese in Zusammenarbeit mit dem Design Studio WALKING CHAIR aus den in der Verblisterung anfallenden gereinigten Leerblistern angefertigt.
APOTHEKE ADHOC Debatte