Apotheker bekommen keine Arzneimittel Désirée Kietzmann, 26.05.2010 10:39 Uhr
In Großbritannien klagen die Apotheker immer noch über Bestellschwierigkeiten. Nach Angaben des britischen Apothekerverbandes mangelt es derzeit an 37 verschiedenen Arzneimitteln, darunter das Zytostatikum Glivec (Imatinib) von Novartis, das Antidiabetikum Januvia (Sitagliptin) von MSD sowie das Neuroleptikum Zyprexa (Olanzapin) von Eli Lilly. Hersteller und Apotheker streiten darüber, ob das Problem bei den Exklusivvertriebsmodellen der Pharmafirmen oder den Exportgeschäften der Apotheker liegt.
Bei einer Umfrage der britischen Apothekerkammer gaben 57 Prozent der Befragten an, dass sich die Situation seit Februar nicht verbessert habe. 40 Prozent der 114 befragten Apotheker sehen sogar eine Verschlimmerung. „Die Apotheker müssen weiterhin kostbare Zeit mit der Beschaffung der Arzneimittel verbringen, statt sie in die Betreuung der Patienten zu investieren“, teilte die Kammer mit. Die Mehrheit der Apotheker muss laut Umfrage täglich bis zu einer Stunde mehr Zeit für die Besorgung knapper Medikamente aufbringen.
Trotzdem hakt es bei den Lieferungen: Knapp die Hälfte der Befragten hat bereits eine Woche oder länger auf ein bestelltes Medikament gewartet. Ein Drittel der Apotheker wurde im längsten Fall erst nach zwei Tagen beliefert. Entsprechend häufen sich die Anfragen von Patienten: Die Hälfte der Apotheken erhält jeden Tag mindestens einen Anruf pro Tag von verärgerten Kunden. Bei 14 Prozent sind es zwei oder mehr Anfragen.
Die Apotheker versuchen auf verschiedenen Wegen an Ware zu kommen: Fast alle fragen direkt beim Hersteller nach Präparaten für die Notfallversorgung. Sieben von zehn Apothekern rufen ihre Kollegen in der Nachbarschaft an. Um die Versorgung aller Patienten zu gewährleisten, geben drei Viertel der Apotheker nur Teilmengen ab. Ein ähnlich hoher Anteil sucht in Absprache mit dem behandelnden Arzt nach alternativen Arzneimitteln.
Die Apotheker fordern jetzt eine behördlich geführte Liste, die aktuell Auskunft über fehlende Arzneimittel gibt. Zudem wollen sie zusammen mit dem Gesundheitsministerium und der Arzneimittelbehörde Handlungsempfehlungen erarbeiten, wie mit dem Arzneimittelmangel umgegangen werden soll.
Bereits Anfang des Jahres hatten die Apotheker über den Medikamentenmangel geklagt. Die Industrie macht die Apotheken für den Notstand mitverantwortlich: Anstatt die Ware an Patienten abzugeben, würden die Apotheken die Arzneimittel ins Ausland verkaufen, so die Vorwürfe. Seit 2007 hat sich der Pharmagroßhandel aufgrund der Exklusivvertriebsmodelle (Direct to pharmacy, DTP) der Hersteller komplett gewandelt.