Österreich

Apothekentester zählen Mitarbeiter APOTHEKE ADHOC, 02.07.2018 13:39 Uhr

Berlin - 

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat die Beratung zu Schlafstörungen in Wiener Apotheken unter die Lupe genommen. 16 von 19 getesteten Apotheken stellten die österreichischen Verbraucherschützer ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Die beste erreichte gerade einmal 29 von 100 möglichen Punkten. Die Apothekerkammer Wien weist die Kritik allerdings mit Nachdruck zurück: Apotheker seien akademisch ausgebildete Fachkräfte und müssten nicht automatisch nach der Matratzenhärte fragen.

Zwei Testpersonen – eine jüngere und eine ältere – wurden in 19 Wiener Apotheken geschickt. Dort gaben sie lediglich an, in letzter Zeit schlecht zu schlafen, und erkundigten sich, was man dagegen unternehmen könnte. „Wir wollten wissen, ob Apotheken ihrem eigenen Anspruch nachkommen, Medikamente nicht einfach nur zu verkaufen, sondern Patienten vor allem eine gute Beratung zu bieten“, schreiben die Verbraucherschützer im VKI-Magazin „Konsument”.

Anhand eines Bewertungsbogens hielten die Tester unmittelbar nach dem Besuch der Apotheke fest, ob die Erwartungen erfüllt worden sind. So sollten Apothekenmitarbeiter etwa nachfragen, um welche Störung es sich handelt (Einschlaf-Durchschlafstörungen, frühes Aufwachen), wie lange sie bereits besteht und wie oft sie auftritt. Da auch Medikamente und Erkrankungen den Schlaf beeinflussen können, erwarteten die Verbraucherschützer, dass Apothekenpersonal sich erkundigt, ob und welche Medikamente eingenommen werden. Auch sollten die Testpersonen Tipps erhalten, wie sie die Schlafqualität verbessern können, und empfehlen, bei Fortbestehen der Beschwerden einen Arzt aufzusuchen.

Neben fachlicher Beratung hielten die Tester fest, wie viele Kunden und wie viel Personal in der Apotheke anwesend waren, wie lange sie warten mussten und wie lange die Beratung dauerte. In die Bewertung gingen außerdem die Freundlichkeit des Personals, Ambiente in der Apotheke und die Sauberkeit im Raum rein. Ebenso wurde beurteilt, ob die Möglichkeit besteht, ein diskretes Gespräch zu führen.

Das Ergebnis sei „ernüchternd“ gewesen, schreiben die Verbraucherschützer. Nur in wenigen Fällen sei etwa nachgefragt worden, seit wann die Schlafstörungen bestehen, wie oft sie auftreten, ob Erkrankungen vorliegen oder ob bereits versucht wurde, dagegen etwas zu unternehmen. Tipps, was man sonst gegen die Schlafstörungen unternehmen könnte, außer Schlaftabletten einzunehmen, seien kaum gegeben worden, kritisiert der Verein. Lediglich bei drei Beratungsgesprächen wurde der Rat erteilt, einen Arzt zu konsultieren, wenn die Beschwerden weiter bestehen. Dafür seien in fast allen Apotheken Medikamente beziehungsweise Nahrungsergänzungsmittel verkauft worden.

Der direkte Kundenkontakt soll binnen drei Minuten abgeschlossen gewesen sein. Dabei habe es auch keine Rolle gespielt, ob sich noch andere Kunden in der Apotheke aufhielten oder nicht. 16 Apotheken machten ihre Sache so schlecht, dass die Verbraucherschützer dafür nur das Testurteil „nicht zufriedenstellend“ vergeben konnten. In den drei restlichen Apotheken wurden Testpersonen laut VKI immerhin einige wenige Fragen gestellt. Diese Apotheken erhielten ein „weniger zufriedenstellend“.

Gegen den Bericht wollen sich nun die Wiener Apotheker wehren. Für den Präsidenten der Apothekerkammer Wien, Dr. Philipp Saiko, steht das Testergebnis auf „sehr wackeligen Beinen“. Der Test sei anhand eines mangelhaften Fragenkatalogs durchgeführt worden und es seien auch nicht die Arzneimittel, die abgegeben wurden, in das Ergebnis eingeflossen.

Stattdessen sei berücksichtigt worden, ob das Apothekenpersonal nach der ausreichenden Verdunkelung des Schlafraumes gefragt oder sich erkundigt hätte, ob der vermeintliche Kunde am Abend viel trinken würde, kritisierte Saiko. „Diese Fragen wurden tatsächlich in den meisten Fällen nicht gestellt“, räumte er ein. Allerdings seien Apotheker akademisch ausgebildete Fachkräfte. Automatisch Fragen etwa nach der jeweiligen Matratzenhärte zu stellen, entspreche nicht ihrer primären Expertise. Ihnen aber genau dies anzulasten, zeuge von einer inhaltlich unprofessionellen Herangehensweise an die Problematik. „Damit wird ein ganzer Berufsstand zu Unrecht schlecht geredet, wogegen ich mich naturgemäß verwahren möchte”, zeigt sich Saiko verärgert.

Die Verbraucherschützer haben nach dem Test die getesteten Apotheken aufgefordert, sich zu den Ergebnissen zu äußern. Elf haben davon Gebrauch gemacht. Einige zeigten sich verwundert und pochten darauf, dass ihre Beratung gut sei. Andere versuchten, das schlechte Abschneiden mit dem ungünstigen Testzeitpunkt in der Wiener Ferienwoche oder mit einer hohen Kundenzahl zu erklären. Viele Apotheken gelobten Besserung.

Ein paar Apotheken wehren sich mit deutlichen Worten. „Im Apothekenalltag sind wir immer auch auf die aktive Mithilfe des Kunden/Patient angewiesen“, schreibt Hedda Komp-Brady, Inhaberin der Brady Apotheke – Zum roten Turm. „Ein Patient, der eine fachkundige Beratung für ein Arzneimittel benötigt, wird weiterführende Fragen unsererseits ausführlich beantworten und nicht eine virtuelle Checkliste abarbeiten und so bewusst oder unbewusst weitere Informationen vorenthalten.“

Die Tiger-Apotheke weist darauf hin, dass gerade bei dieser Thematik die Balance zwischen zu viel Belehrung und Eindringen in die Privatsphäre und zu wenig nachfragen schwierig sei. In der Alten Hofmühl-Apotheke hat man ähnliche Erfahrungen gemacht: „Wir haben auch immer wieder festgestellt, dass bei unserem gut informierten Stadtpublikum allzu viele Nachfragen, Ratschläge und Empfehlungen als penetrant und anmaßend empfunden werden können“, schreibt die Inhaberin Gertraud Mechtler. Der Patient soll daher aktiv nachfragen und um eine Beratung ersuchen.