Die Hörgerätetechnik ist mit den Jahren immer ausgefeilter geworden. Doch im Apothekenalltag kann die Beratung gemeinsam mit Hintergrundgeräuschen zu einem Soundbrei verschmelzen. Zwei Wiener Apotheken haben eigene Beratungsplätze eigens für Gehörbeeinträchtigte eingerichtet.
Dr. Alexander Hartl übernahm 2003 die Rotunden-Apotheke von seiner Mutter. Elfriede Hartl ist weiterhin Chefin der Apotheke im Stadion Center. Gemeinsam seien sie im ständigen Austausch, wie sie den Service für ihre Kunden weiter verbessern könnten. Dazu gehöre auch die Barrierefreiheit. „Die meisten denken dabei zuerst an Mitbürger, die in ihrer Mobilität oder Sehfähigkeit beeinträchtigt sind“, so Hartl. „Sofern er nicht selbst davon betroffen ist, ist kaum jemandem bewusst, dass es mit den Hörbeeinträchtigten noch eine weitere sehr große Gruppe gibt, die in ihrem Alltag immer wieder vor Hürden stehen.“
Die Hartls machten sich kundig. „Immer mehr Menschen werden älter, manche von ihnen schwerhöriger“, hat Hartl erfahren. „Doch ein Hörschaden kann durchaus bereits im Alter zwischen 40 und 50 Jahren auftreten.“ Die Technik sei mit den Jahren immer ausgefeilter geworden. „Die Hörgeräte werden immer kleiner und leistungsfähiger“, sagt Hartl. Dennoch könnten auch sie die Umgebungsgeräusche in einer Apotheke nicht immer ausblenden.
Doch da gebe es mittlerweile Möglichkeiten. „Etwa 80 Prozent aller neu verkauften Geräte sind bereits mit einer Induktionsspule ausgestattet“, so der Wiener Pharmazeut. Diese Technik machten sich die beiden Apotheken zunutze und richteten jeweils einen HV-Tisch mit einem Induktionsfeld ein. Der Platz ist mit einem entsprechenden Piktogramm gekennzeichnet. „Wenn der Kunde das Feld betritt, empfängt sein Gerät ein Signal und schaltet automatisch auf Induktion um. Der Kunde braucht selbst nicht aktiv zu werden.“ Die störenden Hintergrundgeräusche würden weitgehend ausgeblendet. „Der Kunde hört nur seinen Ansprechpartner.“
Nicht jeder Kunde sei gleich, darum seien auch die Mitarbeiter gefordert. „Sie haben ein Mikrofon und vernehmen über einen Hörbügel, wie ihr Gespräch gerade beim Kunden ankommt“, so Hartl. „Auf einem Pult können sie dann entsprechend die Lautstärke nachregeln.“ Die beiden Apotheken legten großen Wert auf die Beratung. „Wir wollen auf die Menschen eingehen und vermeiden, dass die Inhalte falsch oder unvollständig ankommen.“
Zwischen 3000 und 5000 Euro pro Apotheke habe die technische Ausstattung gekostet. Doch die Investition habe sich gelohnt. „Unser Service wird sehr gut angenommen“, freut sich Hartl. Leider lasse sich immer nur ein Platz für ein barrierefreies Hören umrüsten. „Die Induktionsgeräte senden auf ein- und derselben Frequenz.“ Für wartende Kunden mit einer ähnlichen Beeinträchtigung gelte es dann erst recht, den gebührenden Diskretionsabstand zu warten. „Sonst bekommt er das Beratungsgespräch vor ihm klar und deutlich mit.“
Eine gute Zugänglichkeit würde in den Apotheken groß geschrieben, betont Hartl. „So haben wir für gehbehinderte Menschen Sitzplätze an den HV-Tischen eingerichtet, die bei einer Beratung rauf- und runtergefahren werden können.“ Auch Leistungen für Menschen, die – wie es Hartl ausdrückt – „am Rande der Selbstbestimmtheit“ leben, halten Mutter und Sohn vor. „Wir verblistern manuell für jeweils eine Woche, sodass sie noch länger allein in ihren eigenen vier Wänden leben können.“ Die Hartls wollen am Puls der Zeit bleiben. „Wir überlegen uns ständig, wie wir unseren Kunden das Leben erleichtern können.“
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