Apothekenketten

Pessina gegen die Uhr

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Berlin -

Schicksalstag für Stefano Pessina: Um Mitternacht läuft für den Konzernchef von Walgreens Boots Alliance (WBA) die Frist für die Übernahme der Apothekenkette Rite Aid ab. Die US-Wettbewerbsbehörde hat dem Deal noch nicht zugestimmt, nun könnte es für den Italiener teuer werden.

Im Oktober 2015 hatte WBA die geplante Übernahme von Rite Aid bekannt gemacht. Etwa 9,4 Milliarden US-Dollar will der Konzern für den Konkurrenten mit 4600 Filialen auf den Tisch legen; unter Berücksichtigung übernommener Schulden liegt das Gesamtvolumen sogar bei 17,2 Milliarden Dollar.

Nach dem Deal wäre WBA auf rund 12.900 eigene Filialen gekommen. Zum Vergleich: Den knapp 20.000 Filialen der großen Ketten stehen in den USA rund 23.000 unabhängigen Apotheken gegenüber sowie 9000 Supermärkte und 8000 SB-Warenhäuser mit angeschlossenem Apothekenschalter. Jede fünfte Apotheke in den USA hätte nach Vollzug zum Megakonzern gehört.

Laut Pessina ergänzen sich die beiden Ketten geografisch hervorragend: Vor allem in Kalifornien und im Nordosten kann WBA mit Rite Aid weiße Flecken schließen. Allerdings war dem Italiener wohl früh klar, dass der Deal nicht durchgehen würde. Mindestens 500, maximal aber wohl 1000 Apotheken müsse man vermutlich abgeben, teilte WBA im vergangenen September mit.

Als die FTC im Herbst tatsächlich Bedenken anmeldete, erklärte Pessina, dass der Mitbewerber Fred's für 950 Millionen Dollar 865 Filialen übernehmen würde. Die Supermarktkette betreibt in jeder zweiten ihrer 650 Filialen eine Apotheke und ist vor allem im Südosten der USA vertreten.

Damit war der bisherige Zeitplan endgültig futsch. Ursprünglich sollte der Deal bis zum 27. Oktober 2016 abgeschlossen sein; maximal bis zum 27. Januar 2017 sollte die Frist verlängert werden können.

Um ein Ausscheren der Aktionäre zu vermeiden, wurden für den Fall des Scheiterns hohe Vertragsstrafen vereinbart: Für den Fall, dass eine der beiden Parteien vom Deal zurücktreten würden, wurden 325 Millionen Dollar angesetzt. Rite Aid hätte WBA zusätzlich die Kosten bis zu einer Höhe von 45 Millionen Dollar ersetzen müssen. Umgekehrt wären 650 Millionen Dollar fällig geworden, wenn WBA statt Rite Aid einen anderen Fisch an Land gezogen hätte.

Pessina verpflichtet sich aber auch, 325 Millionen Dollar für den Fall zu zahlen, dass die Wettbewerbsaufsicht die Zustimmung zum Deal verweigern würde. Dass von der FTC heute noch grünes Licht kommt, gilt als unwahrscheinlich. Denn nach dem Zugeständnis im Dezember müssen die Kartellwächter den Verkauf der Filialen an Fred‘s prüfen, was Experten zufolge abermals zwei Monate dauern kann.

Bei der Hauptversammlung in New York versicherte Pessina in dieser Woche, dass man in Gesprächen mit Rite Aid sei und alles unternehme, um die Zustimmung zu bekommen. Nun muss er hoffen, dass seine Partner den Deal noch einmal verlängern – und nicht die Strafe als zusätzlichen Gewinn mitnehmen.

Scheitert Pessina tatsächlich, hätte er aber auch ein massives Imageproblem. Seit der Fusion von Walgreens und Alliance Boots hat der Italiener den US-Markt auf den Kopf gestellt: Der Einstieg beim Großhändler AmerisourceBergen (ASB) – WBA gehören mittlerweile 24 Prozent – markierte den Beginn einer bis dahin unbekannten Vertikalisierung im US-Pharmahandel und hat zu massiven Kundenwanderungen geführt. Mit Rite Aid würde Pessina dem Celesio-Mutterkonzern McKesson einen Großkunden wegschnappen.

Pessina hatte außerdem schnell erkannt, dass er seinen größten Konkurrenten durch geschickte Allianzen ausspielen könnte. So gewann er – unter Verzicht auf Marge – mehrere Zuschläge bei großen Krankenversicherern und überraschte damit die Konkurrenz. Im Herbst kassierte CVS die Prognose für 2017; der Börsenkurs stürzte ab.

Ganz unangekündigt kommt die Offensive nicht: Pessina kennt keine Berührungsängste, wenn es darum geht, Mitbewerber aus dem Weg zu räumen. Mit WBA will er die Zukunft von Gesundheitsversorgung, Apotheke und Einzelhandel weltweit neu definieren. Am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos erklärte der Konzernchef vor einem Jahr im TV-Interview der Nachrichtenagentur Bloomberg, dass gerade in den USA viel Geld verschwendet wird und dass er den Markt in den kommenden fünf Jahren umkrempeln will. So startete er einen Testballon, Produkte des Herstellers Valeant auf Provisionsbasis abzugeben. Am Ende musste der Pharmakonzern für Pessina bluten.

Scheitert Pessina bei Rite Aid, würden seine Gegner frohlocken. Kommt die Übernahme dagegen doch noch zustande, hätte WBA weltweit rund 17.700 Apotheken in elf Ländern. Dazu kommen mehr als 350 Großhandelsniederlassungen; WBA beliefert nach eigenen Angaben mehr als 200.000 Apotheken, Ärzte, Gesundheitszentren und Krankenhäuser in 19 Ländern und beschäftigt insgesamt rund 370.000 Menschen.

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