Nachtdienst-Experimente

Apothekencola erobert Österreich

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Berlin -

In einem alten Arzneibuch fand der Salzburger Apotheker Simon Windhager das Rezept einer natürlichen Ur-Cola, die völlig ohne künstliche Zusatzstoffe auskommt. Inzwischen wird „Hoobert“, wie das Getränk heißt, österreichweit unter anderem in den Interspar-Filialen angeboten. Und der Apotheker will nach Deutschland expandieren.

Vanille und Zimt, Muskat und Limette, Orangen und Orangenschalen, Kaffee-Extrakt und natürlich Zucker: Für ein gutes Cola, sagt der Österreicher Simon Windhager, braucht man nicht viel. Es komme auf die richtige Mischung an. Der 36-Jährige ist allerdings kein Getränkehändler, sondern führt die Raphael-Apotheke in Salzburg. Dort im Labor ist auch sein „Hoobert – das Naturkola“ entstanden.

„Wenn ich im Nachtdienst auf Kunden warte, experimentiere ich gern mit alten Rezepturen“, erzählt der Apotheker. Rezepte findet er in alten Arzneibüchern, die er von seinem Großvater oder von Flohmärkten hat. „Dass mein Herz für alte Rezepturen schlägt, liegt vermutlich daran, dass ich, bevor ich die Pharmazie in Angriff nahm, Geschichte und Archäologie studierte“, sagt er.

Während eines solchen langweiligen Nachtdienstes ist Windhager auf ein Rezept in einem Arzneibuch aus dem Jahr 1859 gestoßen. Mit „Soda gegen Kopfschmerzen“ war die Rezeptur überschrieben. „Als ich mir die Zutatenliste angeschaut habe, ahnte ich, dass es sich um Cola handelt“, erinnert sich der Apotheker. Verwunderlich ist es nicht. Das Cola-Brauen hat in der Apothekerzunft ohnehin Tradition. Erst haben Apotheker dafür gesorgt, dass Sprudel ins Wasser kommt. Dann haben sie Geschmack beigefügt. So sei auch Cola entstanden, berichtet Windhaer. Einst als Mittel gegen Kopfschmerzen mit echtem Kokain. Davon fehlt heute selbstverständlich jede Spur.

Bis auf eine Zutat seien alle Bestandteile der Rezeptur in der Apotheke zu finden gewesen, sagt der Apotheker. Nur die benötigte Limette musste er sich im nahe gelegenen Restaurant besorgen. Um drei Uhr war es soweit. Windhager konnte seine erste eigene Cola probieren. „Ich teste die Produkte meiner Nachtdienst-Experimente immer zuerst an mir“, lacht er. Dann durften Team, Familie und Freunde sagen, was sie von der Apotheken-Cola halten. „Es hat allen gut geschmeckt, aber ich hatte schlicht keine Zeit, das Ganze größer aufzuziehen“, so der Apotheker. Außerdem sei der Getränkemarkt gesättigt. „Da wartete eigentlich keiner auf uns oder auf ein weiteres Cola.“

Als ein Freund anbot, ins Geschäft einzusteigen und es ernsthaft voranzutreiben, ließ sich der Apotheker doch darauf ein. Das Natürliche soll die Kunden von „Hoobert“ überzeugen und helfen, sich in dem übersättigten Markt zu behaupten, so der Marketingansatz. Alle Inhaltsstoffe haben Arzneibuchqualität, die streng kontrolliert wird, versichert Windhager. Aromen kommen dem Apotheker genauso wenig in die Flasche wie Phosphatsäure und andere Zusatzstoffe, die man in vielen Colas findet. Auch beim Zucker spart er. Hoobert hat rund 25 Prozent weniger Zucker als herkömmliche Produkte.

Inzwischen sind neben einigen Gastronomiebetrieben auch die Drogeriekette dm und Lebensmittelriese Spar auf den Geschmack gekommen und haben die Apothekercola österreichweit gelistet. Seit Kurzem bietet der Apotheker sein Produkt auch im eigenen Flagshipstore in Salzburg an. Neben der Cola, die es inzwischen auch in der koffeinfreien Variante gibt, findet man dort handgemachte Produkte wie Holzspielzeug und regionale Spezialitäten. „Wir wollen ein Marktplatz für heimische Qualitätsprodukte sein und uns bewusst gegen die großen Ketten stellen“, so Windhager. Der Apotheker wünscht sich, dass sich um sein Produkt eine echte Trinkkultur wie bei Kaffee und Wein entwickelt. „Wir möchten nicht, dass unser Kola aus der Flasche getrunken wird, sondern auf Eis mit zwei Scheiben Limette“, sagt er.

Derzeit wird der Cola-Sirup, der dann später mit dem Quellwasser aus Hohen Tauern in Kärnten abgefüllt wird, immer noch im Labor der Raphael-Apotheke produziert. „Das bleibt auch erst einmal so“, sagt der Apotheker. Durchschnittlich zweimal pro Woche begibt sich der Chef höchstpersönlich dafür ins Labor. Jedes Mal werden etwa 50 Liter Sirup produziert, aus denen dann später rund 20.000 Flaschen Hoobert entstehen.

Noch habe das Unternehmen eher etwas von einem Start-Up, so der Apotheker. „Wir machen alles auf eigene Faust.“ Das habe einige Vorteile. „Wir genießen es, ohne Kostendruck zu arbeiten. So haben wir es selbst in der Hand, wo das Produkt verkauft und wie es präsentiert wird“, berichtet er. Doch schon bald könnte sich das ändern. Die Unternehmer nehmen in den nächsten Tagen an „2 Minuten 2 Millionen“, dem österreichischen Pendant der in Deutschland beliebten Show „Höhle der Löwen“, teil und versuchen, Investoren für ihre Idee zu finden. Ausgestrahlt wird die Folge nach Angaben des Apothekers voraussichtlich im Januar 2018.

Bereits jetzt bereiten sich die Unternehmer darauf vor, auch den deutschen Markt zu erobern, und suchen nach Kooperationspartnern, am liebsten aus der Apothekerbranche. „Für unser Produkt ist der Bezug zur Apotheke sehr wichtig“, betont Windhager. „Es wäre schön, wenn er auch in Deutschland erhalten bleibt.“

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