Mehr als die Hälfte aller Londoner Eltern suchen zuerst die Apotheken und andere Gesundheitseinrichtungen und nicht den Zahnarzt auf, wenn Kinder Zahnschmerzen haben. Das verursacht dem britischen Gesundheitsdienst NHS Mehrkosten in Millionenhöhe, zeigt eine neue Studie.
Alle 1862 Apotheken der Hauptstadt bat die Queen Mary University of London um Teilnahme an der Untersuchung, 951 machten schließlich mit. Im Erhebungszeitraum zwischen November 2016 und Januar 2017 konnten die Apotheker und ihre Mitarbeiter Daten von insgesamt 6915 Eltern sammeln, die nach OTC-Schmerzmitteln für ihre Kinder im Alter bis 19 Jahren fragten.
Die Zahlen förderten Erschreckendes zutage: Nur 30 Prozent der Kinder mit Schmerzen im Mund besuchten zuerst den Zahnarzt, bevor sie in die Apotheke kamen. Die genauen Anteile variierten je nach Alter und Schmerzart. 45 Prozent der kleinen Zahnschmerzpatienten waren insgesamt zuerst beim Dentisten. Auf die Altersstufe bis 3 Jahre entfielen 25 Prozent, von 4 bis 7 Jahren 44 Prozent, von 8 bis 11 Jahren 49 Prozent, von 12 bis 15 Jahren 48 Prozent und in der Gruppe von 16 bis 19 Jahren noch 42 Prozent. Nur 7 Prozent aller Kinder, die gerade zahnten, und ebenfalls nur 7 Prozent der Kinder mit Wunden und Geschwüren im Mund fanden sich zuvor in der Zahnarztpraxis ein.
28 Prozent der Kinder mit Schmerzen im Mundbereich waren vor ihrem Apothekenbesuch zunächst bei einem oder gleich mehreren dafür nicht geeigneten Gesundheitsträgern. Dazu zählten Allgemeinärzte (14 Prozent), ärztliche Notdienste, Gesundheitsberater oder an Schulen beschäftigte Krankenschwestern. Vereinzelt waren die Notaufnahme oder Ambulanzen von Krankenhäusern oder die Telefonberatung des NHS bevorzugte ersten Anlaufstellen. Vor allem an Wochenenden nahm die Nachfrage in den Apotheken spürbar zu.
Hätten die Eltern von Vornherein eine zahnmedizinische Dienstleistung in Anspruch genommen, wäre der NHS erheblich weniger gebeutelt worden, sagen die Studienautoren. Im Untersuchungszeitraum fielen allein für London insgesamt zusätzlich 36.573 Pfund (etwa 41.000 Euro), aufs Jahr hochgerechnet 373.288 Pfund (etwa 419.000 Euro) an. Für ganz England wären 2,3 Millionen Pfund (etwa 2,6 Millionen Euro) angefallen, schätzen die Forscher. Da nur die Patienten erfasst wurden, die den Weg in eine Apotheke fanden, könnten die tatsächlich entstandenen Kosten noch um einiges höher liegen.
„Kinder mit Schmerzen im Mundraum müssen einen Zahnarzt aufsuchen, damit eine definitive Diagnose gestellt werden und eine Behandlung gegen die wahrscheinliche Ursache beginnen kann: Karies.“ Die Apotheken könnten eine Schlüsselrolle spielen, indem sie die betroffenen Kinder direkt zu zahnärztlichen Dienstleistungen schicken.
Die mangelnde Bereitschaft zum Zahnarztbesuch schreiben die Autoren zum Teil aber auch den langen Wartezeiten auf eine Behandlung zu. Eine andere Untersuchung habe gezeigt, dass manche Kinder im Nordwesten Englands bis zu 137 Tage warten müssen, um sich einen Zahn ziehen zu lassen. „Die Vorschulkinder in unserer Studie könnten zu den Kindern gehören, die mit kontinuierlichem Dauerschmerz auf der Warteliste stehen, was die Eltern zum Apothekenbesuch veranlasst, um die Schmerzen zu lindern.“
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